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Kolumne: Der Sciencefiction-Herbst 2002

 
Samstag, 12. Oktober 2002 - 15:44 Uhr

Schon vor einem Jahr versuchten wir Ihnen einen Überblick über die neuen SF-Serien zu geben, die zur Fernsehsaison 2001/2002 im amerikanischen Fernsehen starteten. Unter dem Motto "Der Herbst wird heiß" war unsere Euphorie damals nicht zu bremsen – dieses Jahr sieht es dagegen ganz anders aus.

Ein kurzer Rückblick

Im Oktober 2001 sah die Welt der Sciencefiction wirklich noch rosig aus: Die SF-Dauerbrenner "Farscape" und "Andromeda" waren soeben um ganze zwei Staffeln verlängert worden, mit dem Fernsehfilm "Legend of the Rangers" schien die Rückkehr von "Babylon 5" auf die TV-Schirme gesichert und mit "Enterprise" stand eine Serie am Start, die sowohl Kritiker als auch Zuschauer zu gleichen Maßen beeindrucken konnte. Brannon Braga und Rick Berman war die Wiedergeburt des so oft schon totgesagten Franchise geglückt und "Star Trek" fuhr endlich wieder Top-Quoten ein.

Ähnlich ging es auch "Dark Angel", denn James Camerons Endzeit-Serie konnte neben tollen Quoten viele Fans für sich und Hauptdarstellerin Jessica Alba gewinnen. Und während sich auch "Buffy" und "Angel" ungebrochener Beliebtheit erfreuten, wurden für "Akte X", "LEXX" und "Mission Erde" das jeweils große Finale vorbereitet. Der "Sci-Fi Channel"-Sender erfreute die Fans nicht nur mit der Ankündigung, die fünfte Staffel von "Stargate" zu realisieren, sondern auch mit der Ankündigung einer zweiten "Dune"-Miniserie.

Und zu guter Letzt zeichneten sich mit "Firefly" und "Kampfstern Galactica" zwei neue SF-Projekte am fernen Horizont ab. Schade, dass ein Jahr später nun alles anders aussieht.

Überraschende Einstellungen

Die erste Serie, die es in der neuen TV-Saison erwischte, war nie richtig abgehoben: "Legend of the Rangers", der "Test-Film" zur Neuauflage von "Babylon 5", enttäuschte die Quoten-Erwartungen des "Sci-Fi Channel" – dass der Film dabei gegen das größte und erfolgreichste Football-Spiel der letzten Jahre antrat und so gut wie keine Werbung gemacht worden war, interessierte die Verantwortlichen wenig: Obwohl die Quoten unter diesen Umständen noch recht beachtlich waren, gab der "Sci-Fi Channel" nie grünes Licht für eine Serie, was trotz negativer Kritiken für den Film viele Fans enttäuschte.

Doch wie man Fans enttäuschen kann, bewies der "Sci-Fi Channel" im August diesen Jahres in völlig neuen Dimensionen: War im Vorjahr noch die hauseigene Erfolgsserie "Farscape" auf einen Schlag für die vierte und fünfte Staffel verlängert worden, wurde noch im Juli mit dem Doppelpack "Stargate/Farscape" Top-Quoten erzielt, verkündete Sender-Chefin Bonnie Hammer einen Monat später, dass die vierte Staffel zugleich die letzte der Serie sein würde. Das fünfte, eigentlich bereits vertragliche fixierte Jahr, hatte der "Sci-Fi Channel" mit einer Vertragsklausel gestrichen, die Serie sollte bzw. soll nach diesem Stand im Januar 2003 eingestellt werden.

Ein Aufschrei der Fans ging und geht seitdem durch das Internet. Protestaktionen und Briefkampagnen an den "Sci-Fi Channel" und die Mutter der Produktionsfirma "Jim Henson Company", die deutsche EM-TV, sind noch immer im Gange und die Produzenten suchen verzweifelt nach einer Lösung. Laut Serienschöpfer Rockne S. O'Bannon biete man die Serie zur Zeit unter anderem dem "Enterprise"-Sender UPN und TNT an, weshalb die Fans auch diese Sender anschreiben sollten. Zugleich ist auf der Homepage zu lesen, das ein "Farscape"-Film in Arbeit sei und man zur Zeit überlege, in Syndication zu gehen, wo ja bekanntlich auch "Andromeda" läuft. Wir halten Sie in jedem Fall auf dem Laufenden.

Eine Serie, deren Schicksal dagegen besiegelt ist, ist "Dark Angel". Nach zwei Staffeln stellte der "FOX"-Sender die erfolgreiche Serie wegen zu hoher Produktionskosten ein – Fan-Kampagnen und die aktive Werbung von James Cameron persönlich blieben ohne Wirkung. Ab Herbst ersetzt nun "Firefly" das einstige Vorzeige-Projekt.

Im letzten Jahr abgeschlossen und daher auch nicht mehr im TV vertreten sind "Akte X" (nach 9 Staffeln), "Mission Erde" (nach 5 Staffeln) und "Lexx" (nach 4 Staffeln).

Neue Projekte unter schlechtem Stern

Leider muss man zu diesem Zeitpunkt die Befürchtung äußern, dass neue SF-Projekte entweder auf Eis liegen oder nur unter schwersten Bedingungen starten können. Die neue SF-Serie "Firefly" beispielsweise, die von Kritikern bereits hoch gelobt wird (und die wir Ihnen in der nächsten Ausgabe genauer vorstellen werden), könnte schon nach 13 Episoden wieder verschwinden. Denn obwohl Joss Whedon mit "Buffy" und "Angel" sein Talent bewiesen hat, scheint FOX die neue Serie sowohl bei dem Verkauf von Werbeplatz als auch bei der eigentlichen Bewerbung in Zeitschriften nur zögerlich zu agieren.

Nachdem man aufgrund der Einstellung von "Dark Angel" auf einen vorzeitigen Start der Serie gedrängt hatte (ursprünglich war Januar anvisiert gewesen), warten die Sender-Bosse nun geduldig ab, ob sie den bestehenden Vertrag auf 22 Episoden, also eine volle Staffel, verlängern sollen – auch hier halten wir Sie auf dem Laufenden.

Anders als geplant entwickelt sich auch die Geschichte um die Neuauflage von "Kampfstern Galactica". Anstatt eine volle Serie für UPN oder FOX zu produzieren, hat sich der "USA"-Sender entschieden, das Projekt von "X-Men"-Regisseur Brian Singer auf Eis zu legen. Die Rechte an der Serie sind mittlerweile beim "Sci-Fi Channel" gelandet, der unter der Federführung des ehemaligen "Deep Space Nine"-Produzenten Ron Moore eine achtstündige Miniserie plant. Was die Fans schon jetzt auf die Palme bringt: Die Neuauflage soll nicht die Geschichte der "Galactica" fortführen (so wie "Das nächste Jahrhundert" einst "Raumschiff Enterprise"), sondern statt dessen dieselbe Handlung "neu interpretieren" – mit neuen Schauspielern.

Nun bleibt abzuwarten, ob der "Sci-Fi Channel", der sich laut eigenen Angaben von "Weltraum-Shows" entfernen will (und soeben "Stargate" um eine letzte, halbe Staffel verlängerte) hier den richtigen Riecher hat oder dem Genre einen weiteren Schlag verpasst.

Zwei, die dem Trend trotzen – aber wie lange noch?

Das ist im Moment die entscheidende Frage, wenn man sich die Entwicklung von "Andromeda" und "Enterprise" anschaut. Der neueste Ableger der "Star Trek"-Saga beispielsweise war im vergangenen Jahr unter großem Marketingaufwand und Presserummel mit beachtlichen Quoten gestartet – Kritiker lobten die Serie, die Fans schlossen Captain Archer und seine Crew nach vielen Befürchtungen gleich ins Herz und die Produzenten zeigten sich über die positive Resonanz und die guten Einschaltquoten begeistert.

Doch so langsam ziehen Wolken auf dem großen, blauen "Trek"-Himmel auf: Seit der Premiere im September 2001 sinken die Quoten rapide. Das Staffelfinale lag dabei deutlich unter den ersten Episoden und auch die Premiere von Staffel 2, die vor wenigen Tagen den spannenden Cliffhanger aus "Shockwave" auflöste, enttäuschte mit Quoten, die unter dem Durchschnitt der ersten Staffel und sogar unter der letzten Staffelpremiere von "Raumschiff Voyager" lagen. Die Sorgen um die Zukunft von "Enterprise" sind also groß und das nicht gerade, weil man eine baldige Einstellung der Serie befürchten könnte (der Stolz "Paramounts" und die umfangreichen Geldeinnahmen durch übrige Fandom-Aktivitäten verhindern dies), sondern vielmehr deswegen, weil man nicht weiß, wo der Fehler liegt. Obwohl die Meinungen im Fandom traditionell auseinander gehen, sind sich die meisten Fans einig, dass "Enterprise" die beste "Trek"-Serie seit langem ist und so bleibt nur eine erdrückende Frage, auf die nur die Zukunft eine Antwort finden wird: Ist "Star Trek" einfach out?

Ganz anderer Natur sind die Probleme beim Konkurrenten "Andromeda" und das obwohl die Serie nach außen hin kerngesund ist: Trotz drastisch sinkender Quoten verlängerte "Tribune" die von Gene Roddenberrys Nachlass inspirierte Serie für weitere zwei Jahre, also die dritte und auch gleich die vierte Staffel. Und obwohl wir gerade erst bei "Farscape" gesehen haben, wie bindend ein solcher Vertrag ist, spricht Hauptdarsteller und Produzent Kevin "Hercules" Sorbo in Interviews von der festen Absicht, fünf volle Staffeln produzieren zu wollen und danach gar ins Kino zu gehen. Aha.

Aber zurück zu den Problemen der Serie, für die es im Gegensatz zu "Enterprise" klare Gründe gibt. In der ersten Staffel ist hier vor allem die schlechte Produktionsqualität zu nennen: Die Effekte waren unterdurchschnittlich, die Musik nervig, die Schauspieler fühlten sich in den billigen Sets nicht wohl. Aufgrund des dünnen Budgets wurden manche Episoden zu reinen Lückenfüllern und gerade die teureren Exemplare zum oberflächlichen Action-Quark.

Und leider setzte sich dieser Trend in der zweiten Staffel fort: Anstatt auf die langsam komplexer werdende Hintergrundgeschichte mit dem großen Handlungsbogen über die Neugründung des Commonwealth und der Bedrohung durch die Magog zu vertrauen, setzten die Produzenten lieber auf nichtssagende Action-Episoden, in denen Sorbos Charakter, Captain Hunt, reihenweise Nahkämpfe und Frauen hatte. Als es zwischen dem recht egozentrischen Schauspieler und dem bisherigen Chef-Autor und Serien-Erfinder, dem "Deep Space Nine"-Veteranen Robert Hewitt Wolfe über den Kurs der Serie zum Streit kam, setzten die Produzenten ihren Chef-Autor kurzerhand vor die Tür. Wolfes Begründung lässt es einem dabei kalt den Rücken hinunter laufen: "Ich hielt SF-Fans für intelligent – sie waren anderer Meinung".

In den folgenden Monaten kündigte beinahe das gesamte Autoren-Team und während dem Zuschauer dunkle Erinnerungen an "Mission Erde" bewusst werden (auch hier wurden regelmäßig Autoren gefeuert und damit immer wieder neue Handlungen begonnen ohne die alten zu beenden), läuft "Andromeda" Gefahr, zur nichtssagenden Action-Parade zu verkommen. Die große Hintergrundhandlung, die Gründung des Commonwealth, wurde jedenfalls am Ende der zweiten Staffel in einer 5-Minuten-Sequenz ad Acta gelegt, nun lautet der Einleitungstext von Staffel drei lediglich: "Das Universum ist ein gefährlicher Ort, aber die "Andromeda" versucht ihn sicher zu machen".

Fazit:

Eine Prognose zu geben für das nächste Jahr ist schwer. Während "Enterprise" und "Andromeda" wohl noch eine Weile über die Bildschirme flimmern werden, ist dies bei "Farscape" zwar mehr als wünschenswert, aber doch so ungewiss wie der Erfolg von "Firefly". Hoffen wir zumindest, dass die Sciencefiction nicht so schnell wieder von unseren Bildschirmen verschwindet wie sie gekommen war.

Dieser Artikel wurde der Ausgabe 7 unseres "Star Trek Times"-Magazins entnommen. "Star Trek Times" ist mit 8000 begeisterten Abonnenten das zweiterfolgreichste "Star Trek"-E-Mail-Magazin Europas. "Star Trek Times" ist kostenlos und unverbindlich. Melden Sie sich bitte im Formular weiter unten an.

(Redakteur: Patrick Streppel)

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