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Komplettes Interview mit Robert Picardo

 
Dienstag, 17. April 2001 - 19:03 Uhr

"Was ist schon ein Name?"

Robert Picardo (ST:VOY, Doctor) gab TrekWeb ein exklusives Interview, in dem er auch Fragen von Fans beantwortete.

Innerhalb von 6 Jahren hat ein Schauspieler, der den Namen eines der beliebtesten "Star Trek"-Charaktere trägt, selbst einen eher unkonventionellen Helden geschaffen. Dieser Schauspieler hat einem Mann ohne Namen ein unvergessliches Gesicht verliehen, auf eine Art und Weise, die die Erfinder dieser Figur sich wohl nie hätten träumen lassen, nachdem sie in einem Schwall zweier so mondäner Worte wie "Der Doktor" in ihrem Konzept aufgetaucht war. Es scheint dass "Der Doktor" - 7 Jahre, nachdem er als eine der innovativsten Ideen in der "Star Trek"-Geschichte begann und das ohne irgendwelchen Publicity-Rummel, wie er bestimmte andere Charaktere begleitete - eine bessere Reputation erreicht hat, als viele seiner Mitstreiter, die nicht mit solch einem Anflug von Unvollständigkeit begonnen hatten.

Wesentlicher Bestandteil der Anziehungskraft des "Doktors" war von Anfang an die -ursprünglich übellaunige, manchmal verschrobene, brillant humorvolle, immer vielseitige und zögerlich heldenhafte Darstellung durch Robert Picardo.

"Ich war schon sehr früh sehr neugierig und von einer beinahe angenehmen Ungläubigkeit erfasst, als ich feststellte, dass die Fans den "Doktor" auf so herzliche und schmeichelhafte Weise angenommen hatten", sagt der Schauspieler selbst, speziell über die ersten Reaktionen auf seine Figur im Internet. Robert sagt weiter, er hätte irgendwo um die 3. oder 4. Staffel herum begonnen, Online-Rezensionen der Show zu besuchen, gibt aber zu: "Es wirkte zunächst ein wenig klaustrophobisch, sofort nach der Ausstrahlung der Show noch am selben Abend dieses direkte Feedback zu bekommen und ich weiß nicht, ob es so hilfreich war, wie zu Beginn, - als ich noch dabei war, die Rolle zu entwickeln - zu sehen, was es war, das die Fans an meinem Charakter interessierte."

Diese Phase der Neugier auf Online-Reaktionen machte Platz für eine "mittlere Periode", erklärt der stets leise sprechende Schauspieler, "in der ich mich auf meinen Instinkt verlassen und mit dem arbeiten musste, was mir die Autoren lieferten und mich nicht so sehr damit beschäftigte, welchen direkten Einfluss es auf die Fans haben würde."

Obwohl er sich nicht dazu durchringen kann, die Fairness manch harscher Online-Kritik, die die Serie erfahren hat, offen zu kritisieren, ist Picardo schnell dabei, auf die Abhängigkeit zwischen Darstellern und Autoren zu verweisen, die eine wichtige Rolle für die Entwicklung und den letztendlichen Erfolg oder das Scheitern einer Figur spielt.

"Ich denke, wir haben eine starke Truppe von Schauspielern und dass manche Kritik, z. B. an der Figur des Neelix, sehr unfair gewesen ist, denn Ethan Philips ist ein wunderbarer Schauspieler, der eine Rolle hat, für die die Autoren beim Schreiben nie besonders große Fantasie gezeigt haben. Er verbrachte Staffel um Staffel mit Witzen übers Essen und Kochen, sodass selbst (Laurence) Olivier nicht mehr Humor hätte herausholen können. Ich denke also, es gibt eine Tendenz, den Darsteller für eine Figur verantwortlich zu machen, die weniger erfolgreich oder populär rüberkommt -im selben Maße, wie es eine Tendenz gibt, den Darsteller einer Figur zu lobpreisen, die es tut. Obgleich es natürlich die Autoren sind, die die Worte niederschreiben und der Schauspieler diese dann lediglich in die Tat umsetzt."

"Ich denke, es ist wahr, dass wir alle einen gewissen Beitrag zur Entwicklung unserer Figuren geleistet haben", fährt er fort, "denn die Autoren schreiben für die Stärken jedes einzelnen Darstellers, so dass sie - wenn man bei einer speziellen Dialogzeile, die sie geschrieben haben, ein besonderes Talent zeigt - mehr in dieser Richtung schreiben werden. Aber ich schätze, letztendlich kann ich nicht beurteilen, ob die Kritik fair war oder nicht. Ich bin ein großer Fan von einigen Charakteren in unserer Besetzung, bei denen die Fans die Tendenz haben, sie nicht zu mögen" (Gelächter)

Von allen Schauspielern, die zur Größe dessen beigetragen haben, was das Markenzeichen "Star Trek" ausmacht, ist Robert einer der wenigen, die sich -jenseits der Script-Seiten - wirklich mit ihrer Figur eingelassen haben. Als der einzige, regelmäßige "Trek"-Darsteller, der die Story-Idee für eine Episode verkauft hat ("Rettungsanker", 6. Staffel), hat Picardo bei den Autoren ein aktives Interesse an der Entwicklung seines Charakters angemeldet und ist gerade dabei, ein Buch über den "Doktor" zu schreiben. Aber warum ist er -im Vergleich mit anderen Mitwirkenden - so sehr an seiner Figur interessiert?

"Ich habe deshalb ein starkes Interesse an meiner Figur behalten, weil es einige interessante Drehungen und Wendungen entlang des Weges gab, die meine Aufmerksamkeit gefesselt hielten. Ich finde es auch spaßig und herausfordernd, zu versuchen, mit seiner Stimme zu sprechen, sei es in schriftlicher Form oder als spontane "Der Doktor"-Improvisation, so wie jetzt. Ich habe lange genug mit ihm gelebt und habe einen Sinn dafür, wie er denkt und was ihm wichtig ist und wie er es anstellt, das zu erreichen, was er will; ich kann sozusagen "Doktor"-artige Dialoge aus meinem eigenen Geist ableiten. Das ist auch die Ursprungsidee für das Buch, ein bisschen Spaß damit zu haben, meine eigenen "Doktor"-Reden und Ideen zu kreieren."

Nachdem einige Mitglieder der Besetzung, wie Robert Beltran, klares Desinteresse an ihrer Figur geäußert haben, unterstreicht Picardo die Wichtigkeit der Autor/Schauspieler-Dynamik und verteidigt seine Mit-Darsteller: "Ich denke, dass eine Menge ihres Interesses an ihren Charakteren - oder der Mangel daran -, damit zu tun hat, wie interessant für sie geschrieben wurde. Es ist sicher wahr, dass "Der Doktor" eine interessante Bandbreite an Storylines bekommen hat und wäre ich an ihrer Stelle und hätte weniger interessantes/herausforderndes Material, mit dem ich arbeiten könnte, wüsste ich nicht genau, wie ich darüber denken würde."

Überzeugende Charakterzeichnung ist wichtig für eine Show wie "Star Trek", die vier Serien, 9 Filme und mehr als 500 Fernseh-Episoden umfasst. Bezogen auf die generelle Kritik, dass "Star Trek: Voyager" nicht originell oder nicht phantasievoll sei, sagt Robert:

"Wir hatten sicherlich einige Scripts, die sich lasen, als hätten wir diese Geschichte schon mal gemacht und ich bin sicher, dass die kenntnisreichsten Fans der "Trek"-Welt einige "Star Trek: Voyager"-Stories erkannt haben, die wie eine "Star Trek: The Next Generation"- oder gar "Star Trek: Classic"-Folge ausgesehen haben. Ich denke, es ist unmöglich, sich nicht selbst auf irgendeine Art zu wiederholen und so ist es den Autoren hoffentlich gelungen, die individuellen Charaktere der vier Serien so unterschiedlich zu gestalten, dass die Ähnlichkeiten in der Story wenigstens ein wenig durch die Variationen in der Charakter-Zeichnung verdeckt werden."

Vielleicht einer der Gründe dafür, dass die Serie während ihres Verlaufs künstlerisch stark zu schwanken schien, ist das fortgesetzte Stühlerücken hinter den Kulissen, das während der 7 Staffeln fünf verschiedene ausführende Produzenten kommen und gehen sah: Rick Berman, Michael Piller, Jeri Taylor, Brannon Braga, Ken Biller. Doch zugegeben: Auch bei "Star Trek: The Next Generation" wechselten die Autoren und Produzenten und Picardo meint, "jeder, der für "Voyager" verantwortlich war, jeder unserer Autoren/Produzenten, hatte seine speziellen Stärken und eine starke Begeisterung für die Show, und ich denke, individuell gesehen, hat jeder von ihnen einen tollen Job gemacht. Ich konnte mit manchen von ihnen besser kommunizieren als mit anderen, aber ich denke noch immer, dass sie alle während ihrer Verantwortung für die Show einen guten Job geliefert haben."

Und jetzt, wie versprochen, hier einige Antworten auf Fragen von "TrekWeb"-Besuchern...

Mark Foster fragt: "Was sehen Sie als die größte Leistung Ihres bisherigen Lebens an?"

RP: "Dass die meisten "Voyager"-Zuschauer sehen wollen, wie der "Doktor" und "Seven of Nine" am Ende zusammen im Bett landen."

Lydia fragt: "Ich habe Ihre Darstellung über die letzten 7 Jahre sehr genossen. Sie sind so talentiert und ich werde es wirklich vermissen, Sie und Ihre Schiffskameraden sehen zu können. Meine Frage ist: Was ist das erste, das Sie tun werden, nachdem der letzte Vorhang gefallen ist?"

RP: "Ein Bühnenstück; das ist die längste Zeit, die ich weg von der Bühne verbracht habe, seit ich in einem Stück der 7. Klasse aufgetreten bin und ich würde gern sobald wie möglich einen Auftritt in New York oder Los Angeles haben. Außerdem möchte ich meinen Anhänger ausräumen."

Gregory John fragt: "Welche "Voyager"-Episode(n) stellten die größten Anforderungen an Ihre Fähigkeiten als Schauspieler?"

RP: (denkt etwas nach) "Verborgene Bilder", "Inhumane Praktiken", "Charakterelemente"; - und in der komischen Richtung: "Dame, Doktor, As, Spion", "Flaschenpost" und "Liebe inmitten der Sterne"...nun, letzteres wäre komisch/romantisch."

Nicholas Roche fragt: "In der Episode "The Void" wurde angedeutet, dass der "Doktor" sich noch immer einen Namen aussuchen muss. Denken Sie, dass das MHN dadurch, dass es noch einen Namen wählen muss, zu einem mehr oder weniger interessanten Charakter wird?"

RP: "Nun, ehrlich gesagt, keines von beiden. Ich denke, dass man mit einer bestimmten Story-Idee nur so und so lange herumspielen kann und dann muss man sie zur Seite legen. Ich denke, ab einem gewissen Punkt ging den Autoren auf, dass es toll wäre, die Sache mit dem Namen erst sehr spät aufzulösen und ich erinnere daran, dass es nun sehr spät ist. Die ganze Idee eines unentschiedenen Computer-Programms, dem die Möglichkeit gegeben wird, sich einen Namen zu geben und das sich dann nicht entscheiden kann, ist ziemlich witzig und ich bin glücklich, dass wir das durch die ganze Serie hindurch am Leben erhalten haben.

Ich denke, dass es überhaupt nicht vom "Doktor" ablenkt, dass er noch nicht fähig war, einen Namen zu wählen. Ich denke, das Spaßige daran ist, dass es im wirklichen Leben keine Analogie dazu gibt, dass ein voll-ausgeformtes, voll-bewusstes und umfassend gebildetes Individuum namenlos ist und durch den Prozess einer Namens-Auswahl gehen muss -als Erwachsener. Wir alle bekommen Namen, bevor wir uns überhaupt bewusst sind, was das ist und was es bedeutet; wenn wir als Erwachsene unseren Namen aussuchen könnten, wäre das eine sehr schwierig zu entscheidende Sache, denke ich.

Ich finde, diese Storyline ist etwas, das bei "Voyager" einzigartig ist, etwas, das man noch in keiner der anderen "Star Trek"-Shows gesehen hat. Sogar "Data" hatte von Beginn an einen Namen.

Im zweiten Teil des Interviews spricht Robert Picardo über die dramatischen Entscheidungen in "Flesh und Blood" und deren Einfluss auf die neueste Episode "Author, Author", des Weiteren über die wiederkehrenden Auftritte von Charakteren aus früheren "Star Trek"-Serien bei "Voyager" und er beantwortet die restlichen Fragen von "TrekWeb"-Besuchern.

© 2001 TrekWeb.COM

Das Original-Interview finden Sie hier (Redakteur: Ralf Guenthner)

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