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Wie Tag und Nacht

Von Alexandra Wenk

Über den Zweiteiler "Equinox" läßt sich streiten - sicher ist jedoch, daß das Autoren Duo Braga & Menosky mit Janeway und Ransom einen wunderbaren Protagonist/Antagonist-Konflikt geschaffen hat. Denn Ransom verkörpert all das, was die so prinzipientreue Janeway zu werden fürchtet... Lassen Sie uns einen genaueren Blick auf diese beiden interessanten Persönlichkeiten werfen.

Titelgrafik zum Focus

"Kurs halten!!" Wir lernen Captain Rudy Ransom in der ersten Szene als entschlossenen Kommandanten kennen, der sich mit einer Waffe in der Hand gegen fremde Angreifer verteidigt. Ein klassischer Held - könnte man meinen.

Der Exobiologe, der den Erstkontakt zu den Iridianern herstellte, mag ein guter Captain sein, der in jeder Situation als erstes an seine Crew und sein Schiff denkt; ein unnachgiebiger (wie Janeway später sagen wird) Mann, der sich weigert, sich auf der Krankenstation behandeln zu lassen, da er die Brücke nicht verlassen will,... - doch er verbirgt ein dunkles Geheimnis...

Noch bevor dieses ans Licht kommt, erkennt man als aufmerksamer Zuschauer, dass Ransom mit der Verantwortung über die Equinox und ihre Crew eine schwere Last zu tragen hat - kein Wunder, wenn man bedenkt, dass er bereits in der ersten Woche im Delta-Quadranten seine halbe Crew verloren hat und im Gegensatz zu Janeway ein Schiff zu befehligen hat, auf dem Hunger herrscht und kaum noch ein Teil intakt ist.

Den Massenmord, der an Bord seines Schiffes an unschuldigen Wesen begangen wurde, nur um den Antrieb zu verbessern und schneller nach Hause zu gelangen, versucht er zu verschleiern, denn er stellt fest: "Diese Leute werden es niemals verstehen, wenn wir Janeway als Maßstab ansehen."

Zu lügen fällt ihm offensichtlich schwer - er sieht Janeway nicht an, als er sie belügt, nach ihrem Gespräch über die Verletzung der Obertsten Direktive blickt er weg, genauso als er von Janeway später mit seinem Verbrechen konfrontiert wird. Auch zeigt er Reue, als die Voyager später von den fremden Wesen angegriffen wird. R.: "Glauben Sie tatsächlich, es fiele mir leicht?")

Ransom ist also ein ehrlicher, verantwortungsvoller Captain. Seine Tat war eine Verzweiflungstat, um das seiner Crew und sein eigenes Leben zu retten - irgendwie verständlich.

"Nach ein paar Jahren", gibt er zu, "vergaßen wir langsam, dass wir Forscher sind. Und es gab Zeiten, in denen wir fast vergaßen, dass wir menschliche Wesen sind."

Ich möchte ihn fast als "menschlicher" als die strikte Janeway bezeichnen, weil er wie die meisten das tun würden, um jeden Preis zur Erde zurückkehren will. Ein eindeutiges Beispiel für diesen Konflikt zwischen Vorschriften und dem, was richtig & gut wäre, ist folgende Szene: Als er gezwungen werden soll, sein Schiff zu verlassen, fragt er voller Sarkasmus nach dem Protokoll für diesen Fall, und Janeway rezitiert prompt den Artikel.

"Dieses Protokoll stammt aus dem Alpha-Quadranten. Ich bin mir nicht so sicher, ob es hier drauen so viel Sinn hat.", meint Ransom darauf.

Janeway und er sind beide ganz unterschiedlich mit der Situation umgegangen - wobei anzumerken ist, dass Ransoms Reaktion zweifelsohne die realistischere ist. "Janeway hält zum Nachteil ihrer Crew an ihrer Moral fest.", sagt er später zu Seven, und hat damit recht. Es ist eine Tatsache, dass die Voyager mit fast jedem anderen Captain schon längst zuhause wäre.

Doch die zweifellos beste aller Einschätzungen zu Starfleet-Vorschriften und deren Wichtigkeit gibt uns Chakotay: "Es geht hier nicht um Regeln und Bestimmungen. Es geht um richtig und falsch." An dieser Stelle kritisiert er Janeways Führungsstil allgemein und sagt, dass es eben nicht nur um die Artikel und Paragraphen der Sternenflotte geht.

Ein interessanter Vergleich, der sicherlich von Menosky und Braga so beabsichtigt war, ist der Unterschied zwischen dem Voyager-MHN und dem der Equinox. Janeway und Ransom sind sich nämlich gar nicht so unähnlich - es ist nur, als wären bei Ransom die ethischen Subroutinen gelöscht worden.

Nicht nur, dass Janeways Reaktion auf Ransoms Verrat an der Obersten Direktive "und alles, wofür diese Uniform steht" übertrieben ist, ich persönlich finde es auch schade, dass sie überhaupt kein Verständnis für die Equinox zeigt. Nicht zu unrecht wirft Ransom ihr vor: "Es ist leicht an Prinzipien festzuhalten, auf einem Schiff mit intakten Schotts, bemannt mit einer Crew, die nicht Hunger leidet."

Captain Ransom ist einfach nicht bereit, aufzugeben. Er ist enttäuscht von seiner Crew, die "für eine Dusche und eine heiße Mahlzeit" vergisst, was auf dem Spiel steht. "Ich verlange, dass jeder einzelne von euch sein allerbestes gibt." Er selbst flüchtet sich oft in eine Traumwelt und benutzt den Synapsen-Stimulator um sich zu entspannen. Es ist jedoch fragwürdig, ob er je einen Spaziergang an der tenkaranischen Küste machen können wird, ohne Schuldgefühle zu haben. Selbst wenn er es bis in den Alpha-Quadranten schaffen würde - damit wäre die Geschichte noch lange nicht zu Ende. Er sieht schließlich auch ein, dass er in einer Sackgasse steckt - "Mir bleibt gar keine Wahl." "Es gibt keinen anderen Weg." hören wir oft von ihm.

Wie sagte Seven doch so schön: "Keine Wahl? Das sagen sie recht häufig. Sie vernichten Lebensformen um Ihr Ziel zu erreichen, und dann behaupten Sie, dass sie Ihnen kleine Wahl gelassen hätten. Ist diese Logik befriedigend?"

Janeway nimmt Ransoms Verrat sehr persönlich - nicht nur, weil sie Captain der Sternenflotte ist, sondern auch, weil Ransom genau das darstellt, wovor sie sich immer gefürchtet hatte. Und wir wissen, dass Janeway auch mit sich selbst sehr streng ist. Sie geht sogar so weit, die Menschen der Equinox als "Feinde" zu bezeichnen. "Ich werde ihn zur Strecke bringen, egal wie lange es dauert und egal wieviel es kostet." Als Kathryn das sagt, verhält sie sich nicht viel besser als Ransom und ignoriert alles andere nur wegen einer "persönlichen Blutrache", wie Chakotay es formulierte.

Als Ransom schließlich seinen Fehler einsieht und einen anderen Weg nach Hause finden will, stellt sich ein Teil seiner Crew gegen ihn.

Am Ende bittet er Janeway, alle zurück zur Erde zu bringen und opfert sich, um die Equinox weiter von der Voyager wegzubringen.

Meiner Einschätzung nach ist das wieder mal einer dieser "stilisierten Selbstmorde". Ich glaube nicht, dass es wirklich nötig war, dass Ransom an Bord geblieben ist. Die automatischen Navigationskontrollen einzuschalten, dauert doch höchstens ein paar Sekunden.

So verbringt Ransom die letzten Minuten seines Lebens am Strand, nur dass es dieses Mal keine Flucht mehr ist...

Die Frage, wer letztendlich recht hat, bleibt offen. Sicherlich ist Janeways Einstellung auch zum Teil auf der Philosphie von "Star Trek" begründet, die ich - auch in diesem Fall - für etwas naiv halte.

Artikel geschrieben von Alexandra Wenk (aw); aktualisiert am 26.10.2004