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Warum 'Raumschiff Voyager' keine Vergewaltigung von 'Star Trek' ist

Von Shen Li

Was lange währt, wird endlich gut. Der mit Spannung erwartete, letzte Teil unserer extrem populären 'Vergewaltigungs-Reihe' ist endlich online. Mehr als 30 Seiten warten darauf, von Ihnen gelesen zu werden. Erfahren Sie, warum 'Raumschiff Voyager' die beste Sciencefiction-Serie aller Zeiten ist und nochmals, warum das aktuelle 'Star Trek' ein Desaster ist.

Titelgrafik zum Focus

Hinweis

Um den vierten Teil der "Vergewaltigungs-Reihe" vollständig zu verstehen, sollten Sie die Vorgängerteile gründlich durchgelesen haben. Wie immer spiegelt jede Kolumne die Meinung des jeweiligen Redakteurs wieder und ist nicht repräsentativ für die Website.

Einleitung

Mit "Warum Raumschiff Voyager keine Vergewaltigung von Star Trek ist" endet unsere unglaublich populäre "Vergewaltigungs-Reihe", die eine Menge Fans zum Nachdenken angeregt hat und nicht umsonst breite Zustimmung genießt.

In den vorangegangenen Teilen haben wir uns mit der Frage beschäftigt, was der Auslöser für die derzeitige angeschlagene "Star Trek"-Situation ist, die mit der sehr schwachen "Enterprise"-Serie und dem schwer zu unterbietenden "Nemesis"-Film die unterste Schublade erreicht hat. Der Auslöser, so wissen wir, ist die Serie "Deep Space Nine", die mit ihrem Dominion-Krieg und der Integration von mehr Mainstream-Soap-Elementen "Star Trek" erheblich geschadet hat.

Doch während es offensichtlich und auch logisch ist, dass "Deep Space Nine" die Quelle allen Übels ist, wird in einigen wenigen Randkreisen diese Serie dennoch in den Himmel gelobt und sogar als die beste "Star Trek"-Serie hingestellt, während die unumstritten erheblich bessere "Raumschiff Voyager"-Serie von diesen wenigen Fans bis ins Letzte verrissen wird.

Doch warum ist das so? Dass es völlig ungerechtfertigt ist, "Raumschiff Voyager" zu kritisieren, steht außer Frage - aber warum gibt es tatsächlich Fans, die mit dieser wunderbaren Sciencefiction-Serie nichts anfangen können? Irgendein einzigartiges Element muss also in der Serie vorhanden sein, das bei diesen Action-Knaben sofort Abneigungsgefühle hervorruft. Und genau dieses Element und sein Nachspiel werden im abschließenden Teil der "Vergewaltigungs-Reihe" genauer untersucht.

Das Janeway-Syndrom

"Raumschiff Voyager" ist zweifelsohne die beste "Star Trek"-Serie. Die Charaktere sind bereits von Anfang an sehr genau definiert und sympathisch. Die Geschichten befinden sich allesamt auf einem sehr hohen Niveau - sind intelligent geschrieben und unberechenbar, sind humorvoll und provokant. "Raumschiff Voyager" ist ohne Frage ein Nachfolger von "Das nächste Jahrhundert", kommt jedoch frischer und erheblich moderner daher. Diese Frische offenbart sich in der temporeichen Umsetzung der Stories, den sympathischen Charakteren und natürlich den hohen Produktionswerten. Und nicht zuletzt ist das Flair des Neuen dem Captain zu verdanken.

Zum ersten Mal verkörpert eine Frau die Rolle eines "Star Trek"-Captains und diese Rolle wird von der großartigen Schauspielerin Kate Mulgrew mit soviel Engagement gespielt, dass allein durch ihre Präsenz die Bilder mit einer nie zuvor gekannten Dynamik gefüllt werden.

Bei all den offensichtlich positiven Aspekten der Serie mag man sich nur wundern, warum es Fans gibt, die sie ins Bodenlose, ja gar ins Unverschämte hinein verreißen. Es stellt sich die Frage, was das Element ist, welches scheinbar alles Positive verschluckt und dumme Action-Knaben laut werden lässt. Man muss nicht mit der Lupe suchen, um dieses Element ausfindig zu machen: Captain Janeway.

Da wird ihre Frisur kritisiert, da wird sie mit einer Gouvernante verglichen, da wird ihre Stimme belächelt. Scheinbar ist Captain Janeway ein so großer Störfaktor, dass die Basher-Fans all die positiven Aspekte bewusst übersehen wollen und man mag sich fragen, warum? Auch hier muss man nicht lange mit der Lupe suchen, um die Antwort darauf zu finden: Captain Janeway ist weiblich.

"Star Trek" ist seit eh und je ein Männerdomizil. Während die großartige "Das nächste Jahrhundert"-Serie durch ihren Anspruch und ihre menschlichen Themen auch viele Frauen und reifere Männer für "Star Trek" gewinnen konnte, verließen diese das Franchise auch schon mit "Deep Space Nine". Zurück bleiben die Action-Knaben, für die die "Das nächste Jahrhundert"-Serie eine Abwechslung zu "Star Wars" darstellt, die aber stets die Hoffnung hegen, aus "Star Trek" könne irgendwann ein "Star Wars" entspringen und daher "Deep Space Nine" so schätzen. Bei "Enterprise" dürften kaum noch mehr Frauen oder erwachsenere Männer vorhanden sein, ist die Serie doch rein auf die pubertär-männliche Zuschauergruppe und ihre Bedürfnisse ausgerichtet, sprich mehr Action, Gewalt und Erotik, aber viel weniger Tiefgang und Anspruch. Die Action-Knaben sind daher noch immer da. "Star Trek" hat also eine Action-Knaben-dominierte Zuschauerschaft.

Schade ist nur, dass dieser Action-Knaben-Zuschauerschaft eine Art reifere Opposition fehlt. Würden ehemalige, erwachsenere "Das nächste Jahrhundert"-Fans "Raumschiff Voyager" gucken, sie würden die Serie lieben. Sie tun dies aber nicht, weil sie erstens wegen "Deep Space Nine" kein regelmäßiger "Star Trek"-Zuschauer mehr sind und zweitens jegliche nachfolgende "Star Trek"-Serie ablehnen - aus Frust und Prinzip, weil die "Das nächste Jahrhundert"-Serie zu Ende ist. Andere Zuschauer gibt es nicht, weil die, die "Star Trek" schon immer ablehnt haben, wohl kaum bei einer weiteren einschalten würden. "Raumschiff Voyager" wird also als "Star Trek"-Serie praktisch in die Action-Knaben-dominierte Zuschauerschaft gezwungen - ohne Ausweg.

Wen wundert es also, dass "Raumschiff Voyager" mit einem weiblichen Captain und erwachsenerem Inhalt nun auf erheblichen Gegenwind in diesem Knabendomizil stößt?

Aber warum wird die offensichtlich herausragende Qualität der Serie von diesen Action-Knaben so schlechtgeredet, wenn das einzigste Problem von diesen der weibliche Captain ist?

Nun, um den mysteriösen Fall "Raumschiff Voyager" zu untersuchen, muss man sehr wohl auch die Psyche des Fandoms analysieren und erklären, warum eine so beeindruckendere Serie von manchen kindischen Fans mit soviel fanatischem Unmut, ja beinahe Aggression begegnet wird. Man wird nicht aggressiv, wenn man etwas schlecht findet. Man wird schon gar nicht fanatisch, wenn einem etwas nicht gefällt. Aber man wird es sehr wohl, wenn man sich persönlich angegriffen fühlt:

Plötzlich nämlich sehen diese Action-Knaben sich mit einer Frau konfrontiert, die sie offensichtlich nicht als Vorbild akzeptieren wollen, da sie durch ihre fürsorgliche Art sehr an die eigene Mutter erinnert. Und welcher Knabe möchte schon als Muttersöhnchen, welcher Mann schon als Weichei, als Liebhaber einer angeblichen Frauenserie gelten?

Ein Mutter-Captain kann bei heranwachsenden Knaben auf Ablehnung stoßen, weil sie einen solchen Captain beengend fühlen und wie in der Realität der Pubertät rebellieren und sich befreien möchten. Diese Rebellion, der erste Schritt zur eigenen Emanzipation, drückt sich in Form von Genervtsein, Abneigung, ja sogar Chauvinismus aus. Und eben dieser Chauvinismus - ob bewusst oder unbewusst - ist so stark, dass die erste Staffel von "Raumschiff Voyager" noch so gut sein kann, mit einem weiblichen Captain wird sie so oder so den soeben angeführten psychologischen Chauvinismus-Effekt, das Janeway-Syndrom, hervorrufen.

"Kopie von "Das nächste Jahrhundert"", "Keine Kontinuität, Weltraumphänomen der Woche", "Keine Maquis-Konflikte, platte Charaktere", "Friede, Freunde, Eierkuchen", "Schiff ist hässlich" - all das sind Zitate von Fan-Bashern, die, an dem besprochenen psychologischen Janeway-Syndrom leidend, eine solch gewaltige Abneigung gegen Captain Janeway und die kurvenreichere "Star Trek"-Ära verspüren, dass sie überall haarsträubend, augenweitend, ohrspitzend penibel genau nach jedem erdenklichen, minimalsten Logikfehler oder sonstigen Dingen, die ihrem primitiven Geschmack nicht entsprechen, Ausschau halten müssen - ohne darüber nachzudenken, ob diese wirklich relevant sind für die Qualitätsbeurteilung - und diesen dann mit einem Gefühl gewissen Stolzes honorieren und ihn unbedingt in jedem erdenklichen Forum weiterverbreiten müssen - ganz nach dem Motto: Der Sohn hat gegen die Mutter rebelliert. Und da vor allem "Star Trek"-Fans äußerst manipuliere Geschöpfe sind, schlossen sich so manch andere Fans dieser Basher-Gemeinde an, auch wenn ihnen die Serie sogar gefällt. Gruppenzwang unter Primaten eben.

Dies ist der wahre Grund dafür, weshalb "Raumschiff Voyager" von manchen Fans so verrissen wird, obwohl es an der Serie nur wenig zu kritisieren gibt. Nicht umsonst war der Hauptkritikpunkt an der ersten Staffel die Frisur (!) von Captain Janeway gewesen.

"Kopie von "Das nächste Jahrhundert"", "Keine Kontinuität, Weltraumphänomen der Woche", "Keine Maquis-Konflikte, platte Charaktere", "Friede, Freunde, Eierkuchen", "Schiff ist hässlich" - all diese Vorwürfe sind unter diesen Gesichtspunkten betrachtet auch Ausreden. Es sind Ausreden für ein Gefühl der Entrüstung, Abneigung oder gar Unverständnis, dessen Ursprung man nicht bestimmen kann oder man nicht wahrhaben will - welch ein "Star Trek"-Fan, der sich für tolerant hält und etwas auf sich hält, behauptet schon von sich selbst, ein Chauvinist zu sein bzw. dass er mit einer "Star Trek"-Frauenserie nichts anfangen kann?

Anders ausgeführt: Der Action-Knabe weiß, dass ihm die Serie nicht zusagt und wenn er, an dem Janeway-Syndrom leidend, sich dessen nicht bewusst ist oder es nicht wahrhaben will, sucht er verzweifelt nach Fehlern in der Serie, um sich so auch ein Gefühl einer gewissen Linderung, eines gewissen Sieges, zu verschaffen, da er glaubt, den mysteriösen Ursprung seiner feindlichen Einstellung gegenüber der Serie gefunden zu haben; dass es gar nicht an seinem unbewussten Chauvinismus liegen kann, sondern nur an der Serie. Die Kritik an der Serie ist also auch ein Mittel, um sein eigenes Gewissen zu beruhigen, um den gefährlichen Gedanken, man könnte ein Chauvinist sein, zu verdrängen.

Das Ganze läuft freilich nach dem Motto ab: Irgendetwas an dieser Frau kann ja beim allerbesten Willen nicht stimmen (die Frisur, die Stimme, das Auftreten), sonst würde man nicht solch ablehnende, unbewusst-chauvinistische Gefühle hegen. Janeway ist schuld, dass man ein Chauvinist ist! Ach ja...

Leider tragen diese Ausreden dazu bei, dass die am Janeway-Syndrom leidenden Fans die Serie (aus Prinzip) verreißen, obwohl sie sie gar nicht richtig kennen. Leider tragen diese Ausreden auch dazu bei, dass egal wie gut eine "Raumschiff Voyager"-Episode ist, sich immer (männliche) Fans finden lassen, die diese gerne als die schlechteste TV-Serie aller Zeiten abheften wollen. Das Fatale: Für "Raumschiff Voyager" scheinen plötzlich auch andere, erheblich höhere Maßstäbe zu gelten als für die anderen "Star Trek"-Serien. Die Serie muss plötzlich das und das sein, ist sie es nicht, ist sie schlecht, kein Wenn und erst recht kein Aber - sowie ein Chauvinist seine Frau herumkommandieren würde, so stellen Action-Knaben "Benimmregeln" für die Serie auf. Ein Machtspiel allerprimitivsten Sorte eben. Die (weibliche) Serie hat nicht gut zu sein - ist sie es aber doch, so fühlen sich die Action-Knaben ihrer Männlichkeit beraubt. Die Serie hat gefälligst so zu sein, wie man es als Action-Knabe von ihr erwartet (mehr Krieg, mehr Kontinuität, mehr Konflikte), sie hat keine eigene Richtung zu gehen. Darum gilt es, "Raumschiff Voyager" - wo es geht - zu verreißen, ihr keine Chance zu lassen, ihr in jeder Situation zu zeigen, wer den Längsten hat. Ach ja...

Nicht umsonst kommt "Enterprise" - eine Action-Knaben-Serie - mit so hauchdünnen Episoden wie "Aufbruch ins Unbekannte" oder "Im Schatten von P'Jem" durch. Hätte "Raumschiff Voyager" jemals eine Episode mit so dünnem Inhalt gezeigt, die Entrüstung wäre groß gewesen.

Doch auch abseits vom Chauvinismus trifft "Raumschiff Voyager" auf ein großes Problem: Damals, 1995, und auch noch heute kennt die Sciencefiction-Gesellschaft nur zwei Frauentypen: Sigourney Weaver und Hoshi Sato. Entweder hat eine Frau so männlich zu sein, so geschickt mit einer Kanone umzugehen wie die "Alien"-Mutter oder so schwach und hilfsbedürftig dazustehen wie Hoshi Sato. Dass eine Frau sowohl stark als auch weiblich sein kann, das wird nicht akzeptiert. Fatalerweise ist aber Captain Janeway genau das: Sie ist weiblich und gleichzeitig stark; ist mütterlich, aber gleichzeitig auch erotisch; ist selbstbewusst, aber gleichzeitig auch schwach - eben eine Frau, die man nicht ganz so einfach in eine Weaver- oder Sato-Schublade stecken kann. Eben eine Frau, die nicht klischeehaft daherkommt.

Aber weil diese Frauen-Klischeerollen leider ein großer Teil der Geschichte der Sciencefiction sind und jeder Sciencefiction-Fan damit aufgewachsen ist und sich daran gewöhnt hat, bedeutet dies eine enorme Umgewöhnung. Und sich dieser Umgewöhnung zu unterziehen und sein gesamtes Sciencefiction-Weltbild neu zu ordnen - das ist natürlich viel zu viel von manchen verlangt und entsprechend begegnen manche der ersten "Raumschiff Voyager"-Staffel ebenfalls mit Abneigung, ja gar Hass, weil sie eben auch geradezu gezwungen werden, ihre Gewohnheiten neu zu definieren. Sciencefiction ist folglich - welch eine Ironie - ein sehr konservatives Genre.

Dies ist der wahre Grund, warum Serien mit weiblichen Führungskräften noch so gut sein können, sie werden stets kritisiert werden; andersherum können Serien mit männlichen Führungskräften noch so schlecht sein, sie finden stets ihr Publikum - die Action-Knaben.

Welch eine Ironie auch, dass eine "Star Trek"-Serie durch Intoleranz in Form von Chauvinismus leider nicht bei allen Fans den Respekt bekommt, den sie zweifelsfrei verdient hätte. Welche eine unverständliche Ironie vor allem, dass gerade die "Star Trek"-Zuschauergruppe so an Aussehen von Personen herumnörgelt (Picards Glatzkopf wurde anfangs auch nicht sehr gut aufgenommen), geradezu optikgeil ist - und das, obwohl die meisten Fans aus dieser Zuschauergruppe nicht gerade als attraktiv, gelinde gesagt, gelten. Findet hier etwa ein eigener Kompensationsversuch statt?

Mal ehrlich: Kennen Sie wirklich einen Fan, bei dem Sie hundertprozentig wissen, dass er alle Episoden von "Raumschiff Voyager" gesehen hat und trotzdem die Serie nicht mag? Und kennen Sie etwa keinen Fan, der die Serie nur sporadisch oder gar nicht verfolgt und diese aber trotzdem nach allen Regeln der Kunst verreißt? Mit anderen Worten: Die größten und lautesten Kritiker sind jene Zuschauer von "Raumschiff Voyager", die die Serie nicht sehr gut kennen. Welch eine Ironie!

Zusammenfassend kann man also sagen, dass der weibliche Captain der "Voyager" der männerdominierten "Star Trek"-Zuschauergruppe als neue Identifikationsfigur schwerfällt. "Raumschiff Voyager" ist also eindeutig bei der falschen Zuschauergruppe gelandet.

Die Kritik-Klischees von "Raumschiff Voyager"

Wir wissen nun, dass all die Kritikpunkte, welche die am Janeway-Syndrom erkrankten Action-Knaben so von sich geben, in Wahrheit nichts mit der Serienqualität zu tun haben. Aber greifen wir ruhig einmal die einzelnen typischen Basher-Punkte gegen "Raumschiff Voyager" auf, die Sie in beliebiger Variation in jedem "Star Trek"-Forum vorfinden:

"Kopie von "Das nächste Jahrhundert"": Nach sovielen "Star Trek"-Episoden wundert es niemanden, dass hin und wieder ein "Déjà Vu"-Gefühl auftreten kann. Doch welche Episode von "Raumschiff Voyager" darf wirklich uneingeschränkt als eine "Das nächste Jahrhundert"-Kopie bezeichnet werden? Die Episoden von "Raumschiff Voyager" gehen ausnahmslos in eine andere Richtung. Inwiefern wird von "Das nächste Jahrhundert" kopiert? Man sollte nicht einfach so einen Kritikpunkt in den Raum werfen und dann keine konkreten Episoden nennen können. Die Tatsache ist, dass sich "Raumschiff Voyager" in jeder Episode um Abgrenzung von "Das nächste Jahrhundert" bemüht.

Mit "Das nächste Jahrhundert" vergleichbare Episoden sind bei "Raumschiff Voyager" viel tiefgründiger gemacht und überraschen mit neuen Wendungen: "Die Drohne" aus der fünften "Raumschiff Voyager"-Staffel zum Beispiel ist eine viel bessere Episode als "Datas Nachkomme"; dasselbe kann von "Der gute Hirte" aus der sechsten Staffel behauptet werden, die ihrerseits besser ist als "Beförderung". Selbst Zeitreisen wie in "23:59", "Zeitschiff Relativity" oder "Temporale Paradoxie" sind gute Beispiele dafür, wie sehr sich die deutlich lebhaftere "Raumschiff Voyager"-Serie von "Das nächste Jahrhundert" (die ihrerseits aber auch eine hervorragende Serie ist) unterscheidet. Zwar haben wir es hier mit der x-ten Zeitreise zu tun, doch inwiefern erinnert die Zeitreise in diesen Episoden an eine entsprechende "Das nächste Jahrhundert"-Zeitreise?

Man kann zwar sagen, dass die Thematik Zeitreise oft in "Star Trek" wiederholt wurde, doch darf dies der Thematik die Existenzberechtigung entziehen? Wenn dem so wäre, darf in allen nach "Das nächste Jahrhundert" folgenden Serien ja keine Zeitreise mehr vorkommen, ohne dass sie gleich als "Kopie von "Das nächste Jahrhundert"" kritisiert wird. Das ist absurd.

Solange man einer Thematik neue Aspekte abgewinnen kann und diese auf neue Art und Weise gezeigt wird, darf man sie jederzeit aufgreifen. Und ferner kann es doch nur von Vorteil sein, dass "Raumschiff Voyager" - wenn überhaupt - von "Das nächste Jahrhundert" kopiert und nicht von so Möchtegern-Sciencefiction wie "Babylon 5" oder "Stargate".

"Keine Kontinuität, Weltraumphänomen der Woche": Wenn Action-Knaben "Keine Kontinuität" "Raumschiff Voyager" vorwerfen, drücken sie sich sehr ungenau aus, denn in der Tat hat "Raumschiff Voyager" sehr viele kontinuierliche Elemente zu bieten - wie eine sehr natürliche Charakterentwicklung. Man muss also erst einmal festhalten, was unter Kontinuität zu verstehen ist. Unter Kontinuität wird von diesen Action-Knaben nicht nur die Erzählung einer Geschichte durch Handlungsbögen verstanden, sondern die Ausrichtung einer Serie darauf.

Es kommt aber noch dicker: Diese Erzählweise wird als das Non-Plus-Ultra angesehen, sprich, jede Sciencefiction-Serie hat gefälligst diese Erzählweise zu beinhalten. Und genau das ist inakzeptabel und es wird im Folgenden gezeigt, was die Nachteile dieser Erzählweise sind. In diesem Abschnitt geht es also darum, zu zeigen, dass eine Serie nicht automatisch gut ist, wenn sie auf episodenübergreifende Handlungsbögen setzt; dass nicht jede Serie ohne diese Handlungsbögen automatisch schlecht ist.

Gleich vorweg: Es wird unter Kontinuität nicht etwa eine kontinuierliche Charakterentwicklung verstanden - dass diese in einer guten Drama-Serie zu finden sein muss (und das ist sie in "Raumschiff Voyager" zweifelsohne, wie Sie in den späteren Abschnitten lesen können), das dürfte einleuchtend sein und steht nicht zur Debatte. Dass in einer guten Einzelepisodenserie wiederkehrende Elemente vorhanden sein müssen (und jede Serie hat davon reichlich - schon die Stammcharaktere sind wiederkehrende Elemente), um die Serie zusammenzuhalten, dürfte ebenfalls einleuchtend sein und steht ebenfalls nicht zur Debatte. Es soll hiermit klar differenziert werden zwischen wiederkehrenden Elementen und Erzählweise durch Handlungsbögen.

Kurzum: Unter Kontinuität wird in diesem Abschnitt das Erzählen mittels Handlungsbögen und die Ausrichtung einer Serie darauf verstanden (der Handlungsbogen wird als durchgängiges oder zu oft verwendetes Thema verwendet).

Wer behauptet, "Raumschiff Voyager" habe keine Kontinuität zu bieten, hat entweder die Prämisse der Serie nicht verstanden oder schlicht den Pilotfilm nicht gesehen. "Raumschiff Voyager" muss nun mal Woche zu Woche weiterfliegen und kann nicht ewig an einem Ort ausharren (wie es bei einer Raumstation der Fall wäre). Die Serie muss nun mal jedes Weltraumphänomen absuchen, um zu gucken, ob dieses eventuell die Heimreise verkürzen könnte. Die Serie muss nun mal Woche für Woche ein neues Alien-Volk besuchen, um Vorräte aufzufüllen oder nach neuen Techniken Ausschau zu halten, die eine schnellere Heimreise ermöglichen könnten. Dies alles wird sogar in der beeindruckenden Janeway-Rede gegen Ende des Pilotfilms "Der Fürsorger" ganz explizit zur Sprache gebracht.

Es gehört nun mal zum Reiz der Serienprämisse, dass der Zuschauer jede Woche etwas Neues zu sehen bekommt und nicht mit ausufernden Handlungsbögen genervt wird. Das ist die Serie, das ist "Raumschiff Voyager". Für bequeme Kontinuität wie bei "Deep Space Nine", wo die Autoren sich nicht jede Woche etwas völlig Neues ausdenken müssen, ist kein Platz. "Raumschiff Voyager" ist eine Sciencefiction-Forschungsserie und nicht "Dallas" im All. Die mangelnde Kontinuität und das Weltraumphänomen der Woche unterstützen ungemein das Forschungs-Flair der Serie. Ferner, wenn "Raumschiff Voyager" auf Kontinuität à la "Deep Space Nine" setzen würde, könnte ja ein so dahergekommener Action-Knabe, der am Janeway-Syndrom leidet, kommen und sagen: "Kopie von "Deep Space Nine"".

Außerdem stellt sich die Serie so bewusst gegen den negativen Trend in der Sciencefiction zu mehr Kontinuität. Die Macher dieser Kontinuitätsserien müssen schon ziemlich unverschämt sein, wenn sie die Zuschauer dazu zwingen, sich ihr Machwerk Woche für Woche anzutun. Sie können die Zuschauer durch Einzelepisoden dazu anreizen, aber durch einen Handlungsbogen so aggressiv zu versuchen, sie dazu zu zwingen (wie in "24" oder "Alias"), auch nächste Woche einzuschalten, zeugt von Verzweifeltheit, mangelnder Kreativität und mangelndem Vertrauen in das eigene Produkt. Die Kontinuität ist durch den Zwang also zweckbestimmt und keineswegs Ausdruck von Qualität.

Eine Serie zeigt ihre wahre Qualität nämlich erst in der Einzelepisode, wo im Idealfall das ganze Potenzial der Serie gebündelt wird. So geht einigen Kontinuitätsserien ziemlich schnell die Puste aus, wenn in deren Einzelepisoden von etwas anderem gehandelt wird als nur versucht wird, den übergreifenden Handlungsbogen voranzutreiben. In solchen Augenblicken zeigt sich, dass die entsprechende Serie null Potenzial hat und bestätigt die Aussage, dass versucht wird, Kreativitätlosigkeit durch Hinziehen einer Geschichte, den Handlungsbogen, zu übertünchen.

Nicht umsonst handeln die meisten, wirklichen Einzelepisoden in "Babylon 5" oder "Deep Space Nine" von irgendwelchen banalen Attentaten und den dazugehörigen Ermittlungen. Und es ist kein Zufall, dass beide Serien auf einer Raumstation spielen, die von Natur aus wenig Potenzial hat. Daher müssen beide Serien auf Kontinuität setzen und wirken letzten Endes so leer und banal. Es ist erst recht kein Zufall, dass ausgerechnet in der TV-Sciencefiction soviel auf Kontinuität gesetzt wird - handelt es sich in diesem Genre doch hauptsächlich um B-Produktionen, die auf ideenlose B-Autoren und starre B-Darsteller setzen, welche sich durch ein B-Drehbuch hetzen. Da kommt der Retter Kontinuität wie gerufen! Durch Kontinuität kann man sich wunderbar aus allem herausreden und vorheucheln, wie ach so komplex das eigene Werk doch ist.

Eine Serie hat erst dann das Recht, mit Kontinuität aufzuwarten, wenn eine Einzelgeschichte, die nicht gleich zu Anfang als Handlungsbogen konzipiert ist und damit im Vorfeld gestreckt wird, dies geradezu erfordert. Das Entscheidende hierbei ist, dass eine Kontinuität fast unausweichlich ist und als Konsequenz natürlich herüberkommt und nicht zweckbestimmt ist (wie oben erwähnt) und damit gezwungen und gestreckt wirkt. Glänzende Musterbeispiele hierfür sind die "Das nächste Jahrhundert"-Episoden "Angriffsziel Erde"/"Familienbegegnungen" sowie die "Raumschiff Voyager"-Episoden "Skorpion, Teil 2"/"Die Gabe", welche jeweils zusammenhängen, weil es sich förmlich anbietet.

"Deep Space Nine" beispielsweise hat den Dominion-Krieg bewusst eingeführt, um ganz bewusst Geschichten strecken zu können, um nicht jede Woche etwas gänzlich Neues präsentieren zu müssen. Indem man Kontinuität also beabsichtigt einführt, gibt man zu, dass das eigene Serienuniversum nicht reichhaltig genug ist, um Woche für Woche starke Einzelepisoden zu ernähren; man gibt zu, dass der Seriengehalt zu niedrig ist. Andersherum gelingt jede Einzelepisode, wenn das eigene Serienuniversum vor interessanten Geschichten nur so strotzt.

Ist es also etwa ein Zufall, dass "Enterprise" in der dritten Staffel auf einen staffellangen Handlungsbogen setzt? Nein! Der Serie ist das Potenzial ausgegangen! Das Prequel-Universum gibt zu wenig Stoff her für starke Einzelgeschichten und folglich wird auf Kontinuität gesetzt. Wann immer Kontinuität also ins Spiel kommt, muss man sehr kritisch sein. Man muss sich immer fragen, ob die Geschichte diese wirklich erfordert oder ob sie zweckbestimmt ist.

Außerdem: Was kann man schon mit Handlungsbögen erzählen, was man nicht mit Einzelepisoden erzählen kann? Was hat man schon so Wichtiges zu sagen? Mit Handlungsbögen (nochmal: nicht zu verwechseln mit Charakterentwicklung) kann man in der Sciencefiction lediglich irgendwelche Intrigen und Kriege erzählen. Da erfährt man über einen Krieg zwischen Gegner A und B, und dann einen Nebenkrieg zwischen Gegner C und D und wenn dies nicht ausreicht, eine Intrige zwischen A und C, die dann zum Krieg zwischen D und E führt. "Enterprise", "Deep Space Nine" und "Babylon 5" lassen hierbei grüßen.

Doch ist die Frage, die sich jetzt automatisch stellt: Ist das alles nicht trivial in einer guten Sciencefiction-Geschichte, wer gegen wen kämpft und wer Intrige gegen wen führt? Warum ist es zum Beispiel von so enormem Interesse, ob am Schiff noch Schäden sichtbar sind, die von einer Schlacht aus der Episode zuvor stammen? Braucht eine gute Geschichte solche Trivialitäten bzw. wo bleibt dann noch der Raum für gute Geschichten? Ist dies etwa die Definition von guten Sciencefiction-Geschichten, wie zum Beispiel welcher Nebenkrieg, der durch welche Intrige ausgelöst wurde, geführt wird? Soll dies etwa tatsächlich gute Sciencefiction sein? Klare Antwort: Klares Nein. Gute Geschichten handeln stets von Menschen (von was bitte auch sonst?) und entsprechend braucht humanistische Sciencefiction keine episodenübergreifenden Handlungsstränge. Humanistische Geschichten lassen sich innerhalb von 45 Minuten hervorragend erzählen.

Und was häufig bei Einzelepisoden von Kontinuitätsserien zu sehen ist: Die Einzelepisoden enthalten, wie indirekt angesprochen, keine Sciencefiction-Story mehr - wie es zum Beispiel häufig bei "Deep Space Nine" und zu oft bei "Babylon 5" der Fall ist. Die Einzelepisoden beschäftigen sich nur noch mit Mainstream-Krimskrams wie Beziehungsdramen, Intrigen und Jagd nach irgendwelchen Serienkillern, aber Sciencefiction ist nur noch - wenn überhaupt - als Kulisse ausfindig zu machen. Das Fatale: Der neue Blickwinkel, den gute Sciencefiction-Serien erlauben, geht flöten, da plötzlich Themen aufgegriffen werden, die man so auch in anderen Serien zu sehen bekommt. Hin und wieder können solche Mainstream-Krimskrams für Abwechslung sorgen, aber wenn eine Sciencefiction-Serie zu oft oder nur noch darum handelt, verliert sie ihre eigentliche Identität. Denn wenn man Sciencefiction sieht, möchte man auch Sciencefiction-Geschichten bekommen! Wozu schaut man sonst Sciencefiction?

"Deep Space Nine" und "Babylon 5" - Hauptvertreter von Sciencefiction ohne Sciencefiction sind folglich Serien, die sich dafür schämen, Sciencefiction zu sein bzw. keine Sciencefiction-Geschichten mehr erzählen können und eher auf diese genannten Mainstream-Elemente ausweichen müssen. Da vermisst man als Sciencefiction-Zuschauer diesen neuen Blickwinkel, welcher gute Sciencefiction auszeichnet und der in einer Kontinuitätsserie früher oder später auf diese Mainstream-Elemente reduziert wird, weil die eigentliche Handlung in Schlüsselepisoden (wohlgemerkt Einzelepisoden) abläuft und der Weg dorthin eben mit diesen Mainstream-Elementen gefüllt werden muss. Eine Kontinuitätsserie besteht also stets aus sehr viel Müll (Füllepisoden) und sehr wenig Substanz (Schlüsselepisoden). Darum wirken diese Serien letzten Endes so leer.

Nun ist es schon eine rhetorische Frage, welche Serienform gehaltvoller ist - eine Einzelepisodenserie (gänzlich aus in sich geschlossenen, gehaltvollen Episoden bestehend) oder eine Kontinuitätsserie (aus vielen nichtssagenden Füllepisoden bestehend, deren einzige Existenzberechtigung die oft minimale Weiterentwicklung des ohnehin spannenderen Handlungsbogens ist).

Es ist kein Zufall, dass gerade die zweite "Raumschiff Voyager"-Staffel die schlechteste der Serie ist, weil sie eben sehr auf Kontinuität setzt. Man denke an den langen Seska-Kazon-Handlungsbogen, der sich durch die gesamte zweite Staffel zieht. Dieser nervt ungemein, weil die Forschung und eben wirkliche (Einzel-)Geschichten in diesem Handlungsbogen erstickt werden und die Serie von dem Sciencefiction-Pfad erheblich abkommt, sich stattdessen Mainstream-Elementen bedient und dadurch durchschnittlich wird. Das "Sense Of Wonder", das Flair des Neuen ist plötzlich weg. Kontinuität sei Dank.

Gute Sciencefiction braucht keine episodenübergreifenden Handlungsbögen. Gute und einfallsreiche Autoren denken nicht in episodenübergreifenden Handlungsbögen, sondern setzen ihre ganze Kraft und Kreativität in die Einzelepisode, die sie gerade schreiben. Oder denken Sie zuerst daran, wenn Sie etwa eine Geschichte schreiben, wie Sie diese aufblähen können? Das ist absurd und bedeutet nichts anderes, als dass einem nicht mehr genug einfällt und Vorsorge treffen muss. Und das hat nichts mehr mit guter Qualität zu tun. Das ist amateurhaft, das ist TV für heranwachsende Action-Knaben und hat nicht im Geringsten etwas mit Anspruch zu tun. "Deep Space Nine" und "Enterprise" sind folglich Serien für Action-Knaben.

"Raumschiff Voyager" hingegen bietet ab ihrer ersten Staffel an in jeder Episode etwas Humanistisches, etwas Eigenständiges. "Transplantationen", "Tuvix", "Todessehnsucht", "Herkunft aus der Ferne", "Flaschenpost", "Temporale Paradoxie", "Verborgene Bilder", "Fair Haven", "Abstammung" etc etc etc - allein in diesen Beispielepisoden drückt sich der Anspruch aus. Hier geht es nicht um triviale Dinge wie Kriegsgegner Z und die Intrige der Woche (da ist Weltraumphänomen der Woche lieber, da weitaus "sciencefictionhafter"), hier geht es um uns Menschen, um unsere Werte, ja um unser Dasein. Hier wird nicht auf oberflächliche Optik wie eine Raumschlacht gesetzt, hier werden direkt die grauen Zellen des Zuschauers angesprochen. Das ist intelligente Sciencefiction, das ist wahres "Star Trek" und genau das ist "Raumschiff Voyager".

"Raumschiff Voyager" nutzt den episodenübergreifenden Heimreise-Handlungsbogen als Prämisse, nicht als Thema (von einigen Einzelepisoden wie "Das Nadelöhr" oder "In Furcht und Hoffnung" mal abgesehen). Dies ist insofern geschickt, als dass sich folglich Platz für grandiose Einzelepisoden bietet, die im Gegensatz zu episodenübergreifenden, als durchgängiges Thema verwendeten Handlungsbögen eben nicht von diesen erstickt werden, weil die Einzelepisoden eine eigene Thematik besitzen dürfen. Kontinuität in Extremform schränkt also eine Serie sehr ein!

Kleine Anspielungen auf vergangene Ereignisse werden in "Raumschiff Voyager" augenzwinkernd ausgeführt und nicht wie bei anderen Kontinuitätsserien eine große Sache daraus gemacht, welche oft solche Anspielungen nutzen, um gar eine ganze Episode drumherum zu basteln ("Babylon 5" lässt grüßen). Und das wiederum finden einige pubertierende Action-Knaben so toll, weil sie sich für intelligent halten und stolz sind, dass sie sich an etwas aus einer früheren Episode erinnern können - dabei sind diese Sachen, an die sich der Zuschauer erinnern soll, wie erwähnt, Trivialitäten wie Wer-gegen-wen-Krieg-geführt-hat.

Sich Erinnern kann jeder, jedoch ist Nachdenken den meisten ein Gräuel. Eine Serie, in der der Zuschauer sich an viele Gegebenheiten erinnern muss, weil sie in einer anderen Episode stattgefunden haben, ist weniger anspruchsvoll als eine Serie, in der der Zuschauer Woche für Woche zum Nachdenken angeregt wird - in der motiviert wird, Woche für Woche seine eigene Meinung zu bilden als statt nur irgendwelche Erinnerungen abzurufen. Eine Kontinuitätsserie ist folglich weniger anspruchsvoll als eine intelligente Einzelepisodenserie.

Eins soll man sich zum Schluss noch fragen: Warum sind es - auch bei Kontinuitätsserien wie "Deep Space Nine" - gerade die in sich geschlossenen Einzelepisoden, die zu den besten der Serie zählen? Es ist nun mal so, dass "Star Trek" und die Sciencefiction gerade in Einzelepisoden wie "Der Besuch" oder "Temporale Paradoxie" zur Höchstform aufläuft, weil in diesen Episoden das gesamte Potenzial gebündelt wird. Der gesamte Fokus ist allein auf die Einzelgeschichte ausgerichtet; der gesamte Inhaltsgehalt ist hier konzentriert und nicht wie bei einer Kontinuitätsserie, in der dieser Gehalt, den man locker in eine Episode packen kann, über mehrere Episoden verteilt wird und die entsprechende Serie daher ein wenig dahinplätschert und inhaltlich banal wirkt. Die dramatische Wirkung verpufft ebenso, weil der Zuschauer durch die Zerteilung sich immer wieder erst in die Geschichte einfinden muss. Gut gemachte Einzelepisoden sind also stets gehaltvoller und besser als die Füllepisoden in einem Handlungsbogen, eine Einzelepisodenserie ist folglich besser als eine Kontinuitätsserie.

Unter all diesen Gesichtspunkten betrachtet lässt sich also sagen, dass "Raumschiff Voyager" bezüglich Kontinuität alles richtig gemacht hat, was sie als humanistische und intelligente Einzelepisoden- und damit echte Sciencefiction-Serie richtig machen kann: Statt drückender, trivialer Kontinuität gibt es kompakte, intelligente Einzelepisoden; statt Mainstream wie Intrige der Woche gibt es mehr Sciencefiction wie Weltraumphänomen der Woche; statt Imperialismus gibt es Humanismus.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass jemand, der hinter einem Kritikpunkt wie "Keine Kontinuität" steht, nur ein Action-Knabe sein kann, welcher sich von dieser Kontinuität epische Kriege und unzählige Konflikte erhofft.

"Keine Maquis-Konflikte, platte oder eindimensionale Charaktere": Auch hier gilt dasselbe wie oben - Beziehungsprobleme, Rivalitäten und rebellierende Maquis-Mitglieder sind letzten Endes trivial und würden eine Sciencefiction-Serie zum Durchschnitt degradieren, da der Zuschauer solche Art und Mainstream-Konflikten in jeder beliebigen anderen Drama-Serie zu sehen bekommt. Außerdem passt es auch nicht zur "Raumschiff Voyager"-Serienprämisse, gilt es doch, nach Hause zu kommen und sich nicht vorher die Köpfe einzuschlagen.

Interessant ist, dass manche finden, dass "Raumschiff Voyager" durch ihre größtenteils friedvollen Charaktere zu "glatt" ist; dass die Geschichten keinen Reiz mehr haben. Viele Episoden weisen aber eine einmalige Doppelbödigkeit auf ("Der Zeitzeuge", "Endstation: Vergessenheit") und sind geprägt von einer präzisen Charakterisierung wie Leidenschaftlichkeit oder Bedächtigkeit, ohne dass sich beide Elemente im Widerspruch zueinander befinden müssen ("Kontrapunkt", "Fair Haven"). Die meisten Episoden sind unvoraussehbar ("Lebe flott und in Frieden") und gekonnt verspielt ("Zeitschiff Relativity"). Die Serie bietet enorme Abwechslung ("23:59", "Temporale Paradoxie", "Die Braut des Chaotica") und spielt mal mehr, mal weniger mit allen Genres ("Die Augen des Toten", "Das Ultimatum", "Das wirkliche Leben", "Das Tötungsspiel", "Liebe inmitten der Sterne", "Der Virtuose", "Renaissancemensch"). Bei all diesen positiven Eigenschaften - wo kann man, wenn man die Serie wirklich gesehen hat, noch von "glatt" sprechen? Und inwiefern ist eine Serie nicht reizvoll, wenn dort die Charaktere sich nicht auf primitivstem Niveau an die Gurgel gehen?

So ist "Raumschiff Voyager" auch ganz genau in den Episoden am schlechtesten, wo eben solche Mainstream-Elemente auftreten - die Serie wirkt dadurch unnatürlich und gezwungen. So sind es auch Maquis-Konflikt-Episoden aus den ersten beiden Staffeln (wie "Erfahrungswerte", "Der Verrat" oder "Der Verräter"), welche den durchwegs positiven Eindruck der Serie schmälern. Es ist zudem reichlich unpassend, dass sich so zivilisierte Menschen aus einem so zivilisierten Universum sich so unzivilisiert verhalten. In solchen Episoden, wo solche Standard-Konflikte zum Tragen kommen, senkt die Serie ihr eigenes, hohes Niveau. In solchen Augenblicken degradiert sich die Serie selbst von einer erhabenen, anspruchsvollen Sciencefiction-Serie zu einer billigen Seifenoper.

Nur weil man den Anspruch hinter einer "Star Trek"-Serie wie "Raumschiff Voyager" nicht versteht, die anders an ihre Charaktere und Geschichten herangeht; nur weil man zu unreif für tiefgründiges Fernsehen ist und lieber mehr Action und Streit sehen möchte, heißt es nicht, die Serie biete keinen "Reiz". Abermals: Bietet das eigene Leben sowenig Action, dass man im Fernsehen versuchen muss, dieses zu kompensieren?

Bei all diesen Mainstream-Konflikten: Wo soll noch Platz für Sciencefiction-Geschichten bleiben? Wir reden hier von einer intelligenten Sciencefiction-Serie und nicht von "Gute Zeiten, Schlechte Zeiten". Wir wollen hier neue Arten von Geschichten sehen, nicht Konflikte, die jede Seifenoper besser hinbekommen würde. Sciencefiction sollte menschliche Konflikte anders darstellen - intelligenter und mit den ungeheuren und einzigartigen Mitteln, die nur ihr zur Verfügung stehen.

Diese Mainstream-Konflikte sind letzten Endes aber auch nichts anderes als Bequemlichkeit: Weil einem Autor keine originelle Sciencefiction-Geschichte mehr einfällt oder er gerade keine Ahnung hat, wie er denn Charaktere auf originelle Art und Weise weiterentwickeln kann, greift er eben auf diese bewährten Mainstream-Konflikte zurück - wie langweilig, wie uninspiriert, wie durchschnittlich.

So gesehen ist "Deep Space Nine" ein großer Rückschritt für "Star Trek", bedeutet die Serie doch eine Degradierung von "Star Trek" hin zu mehr Mainstream, zu mehr Durchschnitt. "Deep Space Nine" mit all ihren Mainstream-Konflikten hat nur noch entfernt etwas mit Sciencefiction zu tun und ist glatter Durchschnitt. Man mag das alles für "realistischer" halten, weil man sich nun mal mehr mit Charakteren identifizieren kann, die einem selbst ähnlich sind. Doch inwiefern ist es "realistisch", dass sich Außerirdische oder Menschen aus der Zukunft exakt so verhalten wie wir? Und ferner, inwiefern darf man in der Sciencefiction von "realistisch" sprechen ohne sich zu widersprechen? Der "Realismus"-Punkt ist also purer Schwachsinn, aufgestellt von ebenso schwachsinnigen Action-Knaben.

"Star Trek" ist wohl die einzige Sciencefiction-Serie mit Weitblick - dort verhalten sich die Charaktere so anders wie sie sich eben anders verhalten müssen, weil sie aus der Zukunft sind - eben u.a. dies verleiht "Star Trek" einen gewissen "Realismusgrad" unter den Sciencefiction-Serien. Eben dies verleiht "Star Trek" eine gewisse Glaubwürdigkeit und Intelligenz, die denen anderer Sciencefiction-Serien weit überlegen sind. "Deep Space Nine" hat dies weitgehend aufgehoben und es kommt bei einigen Fans gut an, weil sie sich - wie bereits erwähnt - besser mit den Durchschnittscharakteren (auf Seifenoper-Niveau) identifizieren können und es für "frischer" halten. Doch ganz objektiv betrachtet hat "Star Trek" eins seiner Kennzeichen verloren, weshalb der Anfang vom Ende von "Star Trek" definitiv bei "Deep Space Nine" zu finden ist.

"Raumschiff Voyager" hingegen muss sich in ihren ersten beiden Staffeln nun mal mit dem Maquis-Konflikt auseinandersetzen. Das tut sie zwar volle zwei Jahre lang, aber zum Glück haben die Macher gemerkt, dass diese Art von Mainstream-Ich-Mag-Dich-Nicht-Weil-Du-So-Bist-Konflikten das Serienniveau erheblich drückt und so gesehen ist es klug, die Crew zusammenwachsen zu lassen und spätestens ab der dritten Staffel den Maquis-Konflikt nicht mehr zu thematisieren (von vereinzelten "What If"-Episoden abgesehen). Damit ist die Serie wieder echtes "Star Trek" mit Niveau geworden, viel weniger eine anspruchslose Durchschnitts-Sciencefiction-Serie, die nicht weiß, was sie ist und wohin sie gehört.

Überhaupt fragt man sich, was die idiotischen Fan-Basher erwarten, die den Maquis-Punkt immer und immer wieder durchkauen. Etwa, dass es zur Meuterei auf dem Schiff kommt, dass Sternenflotten-Mitglieder die ganze Zeit über die Maquis-Mitglieder anpöbeln und umgekehrt? Etwa, dass Captain Janeway von Chakotay vergewaltigt wird? Man merke: Wir haben es auf der "Voyager" mit erwachsenen Menschen zu tun. Nur weil man selbst als pubertierender Action-Knabe sich anders verhalten würde, sollte man nicht von sich auf andere schließen. Nur weil eine Serie nicht durchschnittlich sein will, heißt es noch lange nicht, dass sie schlecht ist.

Diejenigen, die meinen, es sei "unrealistisch", dass alle auf einem Sternenflottenschiff, welches den fast aussichtslosen Heimflug antritt, sich so brav benehmen: Woher wollen sie wissen, was realistisch ist? Waren sie jemals auf einem solchen Sternenflottenschiff? Und warum muss eine Gruppe von Menschen sich immer die Köpfe einschlagen, wenn diese in einer fast auswegslosen Situation ist? Warum kann eine Gruppe nicht zusammenhalten und gemeinsam versuchen, einen Weg zu finden? Zusammenarbeit ist nun mal die effizienteste Möglichkeit! Zusammenarbeit ist zudem auch ein wichtiger Teil unserer Natur! Warum immer vom pessimistischsten Standpunkt ausgehen? Warum immer von sich auf andere schließen? Warum immer so voyeuristisch sein und anderen beim Streiten zugucken wollen? Bietet das eigene Leben so wenig Abwechslung?

Gene Roddenberry hatte sich schon etwas dabei gedacht, als er Streitereien im "Star Trek"-Universum verbieten ließ. Menschen in der Zukunft, so seine Begründung, sollten ihre Auseinandersetzungen durch ruhige, logische Argumentationen lösen. Und genau dies ist einer der Hauptpunkte, warum "Star Trek" sich so von anderen Serien unterscheidet, warum die Charaktere in "Star Trek" sich so von denen aus anderen Serien unterscheiden, warum "Star Trek" soviel anspruchsvoller wirkt und auch ist. Ist dieser Umgang der Charaktere nicht die Definition von Reife? Warum ein so tolles Konzept im Fernsehen kaputt machen wollen?

Vielen mag diese Art der Charakterisierung "steif" oder gar "platt" erscheinen, aber es ist originell und macht den angenehmen Reiz und letzten Endes auch den Erfolg von "Star Trek". Es macht zudem ein 400 Jahre in der Zukunft liegendes Universum glaubwürdiger und attraktiver, haben wir es doch hier mit weiterentwickelten Menschen zu tun, während die Menschen in anderen Sciencefiction-Serien, die noch viel ferner in der Zukunft spielen, sich überhaupt nicht von denen der Gegenwart unterscheiden, was von der Uninspiriertheit und Fantasielosigkeit der entsprechenden Autoren zeugt.

Damit man nicht falsch verstanden wird: Es geht nicht darum, dass es überhaupt keinen Streit oder keine Konflikte mehr geben darf, es geht nur darum, wie diese entstehen und ausgetragen werden - gutes Drama braucht natürlich Konflikte. Aber im heutigen Fernsehen ist es so, dass die Macher schablonenhaft vorgehen, indem sie einfach sich zankende und laut streitende Charaktere präsentieren und damit Konflikte vortäuschen und behaupten können, ihre Charaktere seien vielschichtig.

In der Sciencefiction im Speziellen ist es auch so, dass Konflikte schablonenhaft durch Krieg und Düsterkeit entstehen ("Babylon 5", "Deep Space Nine") - ganz nach dem Motto: Unsere Serie hat nicht genug Pepp, also würzen wir sie mit Raumschlacht und einem epischen Krieg, lassen die Charaktere sich streiten und Heldentod begehen! Dass das nicht die wahre Definition von Qualitätsfernsehen sein kann, das sollte jedem intelligenten Menschen bewusst sein. Erst wenn Konflikte intelligent und überlegt platziert werden, kann man von Qualität sprechen.

Nur weil sich zwei Leute streiten, bedeutet das nicht, dass die Charaktere automatisch dadurch interessant werden (wie O'Brien und Bashir, die sich anfangs auch "nur so" gestritten haben). Nur weil diese sich streiten, bedeutet dies nicht, dass automatisch Spannung entsteht, ganz im Gegenteil: Die Charaktere können enorm nerven und eine Serie niveaulos machen.

Bei gutem "Star Trek" entstehen die Konflikte stets von Außen. Ein Weltraumphänomen oder die Psyche manipulierende Aliens - der Konflikt entsteht nie aus einem inneren Bedürfnis nach Streit oder gar nach Machtbedürfnis gegenüber dem anderen heraus. Doch im Laufe der Zeit sind den Machern die Ideen ausgegangen, wie sie externe Konflikte produzieren können und darum müssen sie sich mehr Mainstream-Elementen bedienen, sprich mehr interne Konflikte produzieren. Bei "Deep Space Nine" nahm diese Entwicklung ihren Anfang, bei "Enterprise" findet sie ihre Vollendung - nicht umsonst ist "Enterprise" eine Prequel-Serie, eben, damit man diese Mainstream-Entwicklung mehr gerechtfertigen kann.

Sicher, hin und wieder sind Seifenoper-Elemente sehr abwechslungsreich und können eine Sciencefiction-Serie alltäglicher und somit glaubwürdiger erscheinen lassen, jedoch darf man nicht allzu sehr damit übertreiben und nicht vergessen, dass es sich hierbei immer noch um Sciencefiction handelt. "Deep Space Nine" hat sich zu sehr dem Mainstream verschrieben, während "Raumschiff Voyager" glücklicherweise noch die Kurve hinbekommen hat.

Bei "Star Trek" findet sich eine neue Sorte von Charakteren vor, die es so im TV kein zweites Mal gibt. Nur weil sie sich nicht so wie ein Durchschnitts-Amerikaner benehmen, heißt es noch lange nicht, dass sie "platt" sind. Nur weil einem der Zugang zu diesen Charakteren schwerer fällt als zu denen aus einer Seifenoper heißt es noch nicht lange nicht, dass diese Charaktere "glatt" sind. Der Sciencefiction stehen so viele - viel zu viele Möglichkeiten zur Verfügung, als dass sie sich auf das Niveau des Durchschnittsfernsehens hinabbegeben müsste. Und im Übrigen: Wenn die "Raumschiff Voyager"-Charaktere wirklich so "platt" und "eindimensional" wären, warum funktionieren die doppelbödigen Episoden ("Der Zeitzeuge", "Das Tötungsspiel", "Kontrapunkt", "Endstation: Vergessenheit", "Arbeiterschaft", "Die Veröffentlichung" etc) der Serie, die ja eben mehrdimensionale Charaktere voraussetzen, so hervorragend?

Es wird also festgestellt, das jemand, der den fehlenden Maquis-Konflikt kritisiert, am Janeway-Syndrom leiden muss, folglich die Serie nicht gesehen hat, sondern diesen Kritikpunkt aus irgendeinem Forum aufgegriffen hat, auf der Suche nach irgendwelchen gut klingenden Kritikpunkten gegen die Serie. Oder derjenige ist durch "Deep Space Nine" auf die "erträglichere" (und durchschnittlichere) "Star Trek"-Kost (zur Erinnerung: Mainstream-Charaktere, Action-Krieg-Stories) gekommen und verlangt dies von allen "Star Trek"-Serien, ohne sich bewusst zu sein, dass diese neue Erträglichkeit "Star Trek" um etliche positive Punkte ärmer macht.

Es entspricht nur Gene Roddenberrys Vision, dass die "Voyager" sich nicht in ein Schlachtfeld zwischen der Sternenflotte und den Maquis verwandelt hat. Damit wird die nötige Charakter-Harmonie hergestellt - ein starkes wiederkehrendes Element eingeführt, das bei der recht (hoffnungs-)losen Story-Prämisse dringend von Nöten ist. Damit ist "Raumschiff Voyager" ein waschechter und gesunder "Star Trek"-Sprössling - ganz im Gegensatz zu "Deep Space Nine"oder gar "Enterprise" - den "Star Trek"-Missgeburten.

"Friede, Freude, Eierkuchen": Im ersten Kritik-Klischee "Keine Kontinuität, Weltraumphänomen der Woche" wird festgestellt, dass Handlungsbögen in der Sciencefiction letzten Endes dazu benutzt werden, um epische Kriege zu erzählen. Menschliche Geschichten kommen dabei zu kurz und wirklich einfallsreiche Einzelepisoden finden sich nicht darunter, da diese von den Handlungsbögen erstickt werden. Doch nichtsdestotrotz bestehen manche Sciencefiction-Fans doch tatsächlich auf Krieg. Weiter noch: Sie finden Sciencefiction nur dann gut, wenn es darin ordentlich kracht und ein Krieg sich in Sachen Epik von Folge zu Folge überbietet.

Eine ähnliche Frage wurde zwar bereits im Abschnitt "Keine Kontinuität, Weltraumphänomen der Woche" gestellt, hat aber auch hier Bedeutung: Ist es ein Zufall, dass gerade die besten "Star Trek"-Episoden - auch in "Deep Space Nine" - von Menschen handelt und nicht von Krieg? Die in dem erwähnten Abschnitt als Beispiel genannte Muster-Episoden ("Der Besuch", "Temporale Paradoxie") bestätigen dies. Kann eine Sciencefiction-Serie also wirklich so schlecht sein, die eben nicht von einem epischen Krieg handelt?

Aber warum ist die Sciencefiction überhaupt auf Krieg gekommen? Warum reduziert sich ein Genre der unendlichen Möglichkeiten auf ein einziges Thema? Fans dieser Kriegs-Serien kommen gern mit Anti-Kriegs-Argumentationen etc, doch jeder weiß doch, wie schlimm Krieg ist; jeder weiß doch, dass im Krieg Menschen sterben; jeder weiß doch, dass Krieg Menschen zu unmenschlichen Handlungen treibt - wozu also dies immer und immer wieder zeigen wollen? Ist es nicht eine Ironie, dass gerade dieses besprochene Genre der unendlichen Möglichkeiten sich darauf reduziert? Warum werden kriegslastige Sciencefiction-Serien für gut befunden, aber friedvollere Serien hingegen für ihre Friedfertigkeit kritisiert? Warum dieses Dogma, dass Sciencefiction immer etwas mit Krieg und Action und Streit zu tun haben muss? Am Rande: Indem man Krieg zeigt, zeigt man auch, dass man selbst ein gewisses Faible und eine gewisse Faszination für den Krieg hegt - und diesen nicht total ablehnt.

Auch hier sieht man, dass die meisten Sciencefiction-Zuschauer pubertierende Action-Knaben sind, die bloß bei dem Gedanken an Aliens sofort an epische Schlachten und unzählige Tote denken. Spielkinder eben, die sich auch im Visuellen austoben müssen.

Ist es daher nicht ein Genuss, dass es Serien wie "Raumschiff Enterprise", "Das nächste Jahrhundert" und "Raumschiff Voyager" gibt, die eben die gegenteilige Ansicht vertreten? Bei all diesen testosterongesteuerten Sciencefiction-Zuschauern - ist es da noch ein Wunder, warum "Raumschiff Voyager" trotz so hoher Qualität vergleichsweise schlecht bei einigen ankommt, weil die Serie sich gegen den Trend stellt und sich anderen Themen denn Krieg widmet?

Ist es nicht herrlich, dass in einer Zeit, wo die Sciencefiction-Serien immer düsterer, deprimierter und kriegslastiger daherkommen, eine Serie auftaucht, die endlich wieder menschlich und optimistisch daherkommt; den Mut zum fast vergessenen "Friede, Freude, Eierkuchen"-Konzept wagt? Hier werden menschliche Themen mit anderen Mitteln als Krieg dargestellt. Ist es etwa ein solches Verbrechen, wenn man andere Wege beschreiten möchte?

Nur weil das eigene Leben so schlecht ist und man zu wenig Aufregung im eigenen Leben hat, bedeutet es, dass Serien, die das Leben von einer optimistischen Warte aus preisen, einfach mal humorvoll sind oder gern mit Rundum-Wohlfühl-Episoden daherkommen, schlecht sind?

Endlich braucht sich der Fan beim Zuschauen von Sciencefiction nicht die Ohren zuzuhalten - von all dem Getöse auf dem Schlachtfeld! Endlich bekommt er wieder Themen vorgesetzt, die wirklich von Wichtigkeit sind und die ansonsten vom Krieg und von den Raumschlachten verdrängt werden! Endlich wird wieder geforscht - und zwar der Weltraum und nicht irgendwelche ABCDEFG..-Waffen! Ist das nicht die Definition von Sciencefiction? Ist das nicht die Faszination am Weltraum? Ist es nicht herrlich, dass sich eine "Star Trek"-Serie so vehement weigert, "Star Wars" zu werden?

Die "Raumschiff Voyager"-Crew präsentiert sich, wie weiter oben erwähnt, als Einheit und größere Schäden erleidet das Schiff nicht - was soll es auch für einen Sinn überhaupt machen, die Schäden des Schiffes auch in den nachfolgenden Episoden zu sehen? Das Schiff ist nun mal Aushängeschild der Serie - wie sieht da ein beschädigtes Schiff bitte schön aus? Das ist absurd! Wer möchte schon eine beschädigte "Enterprise" oder eine verkrüppelte "Deep Space Nine"-Station sehen? Letztere war im Dominion-Krieg auch im Großen und Ganzen heil geblieben, warum gelten für "Raumschiff Voyager" also wieder andere Maßstäbe?.

Was ist so schlimm daran, dass eine Serie optimistischer sein will, die menschlichen Stärken zeigen will? Oder will man etwa noch eine Serie, die zeigt, wie brutal die Menschen sind; die zeigt, dass Krieg immer ein Teil der Menschheit bleiben wird; die zeigt, dass die Welt so oder so untergeht? Was ist so schlimm an einer Serie, die an die Menschheit glaubt? Zeichnet dies nicht "Star Trek" aus - der Glaube an die Menschheit? Zeichnet dies nicht "Star Trek" aus - das friedvolle Universum, in dem jeder gegenwärtige Erdenbürger gern sesshaft werden möchte? Warum den Reiz daran zerstören und sich dem Sciencefiction-Rest anschließen? Die eigene Identität aufgeben?

Ist es nicht vielmehr ein Verdienst von "Raumschiff Voyager" und dem restlichen "Star Trek" (mit Ausnahme von "Deep Space Nine" und "Enterprise"), dass die Serien ihre Konflikte aus anderen Quellen beziehen und es sich nicht zu einfach machen wie beispielsweise einfach einen epischen Krieg zu nehmen?

Nach all diesen rhetorischen Fragen die abschließende rhetorische Frage: Inwiefern ist "Friede, Freude, Eierkuchen" nun schlecht? Inwiefern ist dies ein wirklicher Kritikpunkt? Ist es nicht vielmehr ein großes Kompliment?

Weitere Kritik-Klischees

"Zuviele Shuttle-Abstürze": Inwiefern ist dieser Kritikpunkt negativ? Wenn eine intelligente oder humorvolle Geschichte erzählt wird, interessiert es einen nun wirklich nicht, ob da gerade ein Shuttle abgestürzt ist oder nicht. Es sei denn, man ist ein Shuttle-Fetischist oder baut zu jedem Shuttle eine so enge Liebesbeziehung auf, dass der tragische Tod eines Schuttles so intensive Trauergefühle auslöst, dass die (ansonsten gelungene) Episode nur noch in einem negativen Licht gesehen wird. Dieser Kritikpunkt an der Serie ist folglich absoluter Schwachsinn.

Und überhaupt: Warum wird "Raumschiff Voyager" dafür kritisiert? Bei "Deep Space Nine" gingen in der fünften Staffel rund vier Runabouts zu Schaden, in der parallel laufenden dritten "Raumschiff Voyager"-Staffel hingegen waren es nur drei. Gelten für "Raumschiff Voyager" also wiederum andere Maßstäbe? Oder gibt es einen so großen Unterschied zwischen Runabouts und Shuttles? Schwachsinn! Moral: Die unsinnigsten Kritik-Klischees kommen von Action-Knaben, die am stärksten am Janeway-Syndrom leiden.

"Zuviele Borg-Episoden": Ebenfalls ein mehr als schwachsinniger Vorwurf, der aus dem Grunde entstanden ist, weil man erstens die Borg zu sehr mag und zweitens "Raumschiff Voyager" als Action-Knabe eben nicht mag: Und da man "Raumschiff Voyager" eben nicht mag, verspürt man das Gefühl, als ob die Serie es nicht verdient hätte, die persönliche "Lieblingsrasse" zum Dauergegner zu haben. Kindisch! Einfach nur kindisch!

Zugegeben, die Borg sind wirklich die interessanteste Spezies aus dem "Star Trek"-Universum, aber warum darf sich keine Serie näher damit beschäftigen, zumal die Heimat der Borg der Delta-Quadrant ist und "Raumschiff Voyager" - welch eine Überraschung - im Delta-Quadranten gestrandet ist. Ist es dann nicht logisch, dass die Serie die Borg als Dauergegner hat?

Viele dumme Action-Knaben plappern das idiotische Wort "Entmystifizierung" nach, als ob die Borg eine so geheimnisvolle oder vor allem reale Kultur wie die Maya oder die Inka wären. Wieviele Male soll die Sternenflotte noch auf die Borg treffen, ohne sie zu "entmystifizieren" (oder ist man etwa tatsächlich so kindisch, zu wollen, dass die Borg am besten gar nicht behandelt werden, damit die eigene "Lieblingsrasse" ja schön geheimnisvoll bleibt?)? Nur weil man bei jedem Borg-Treffen eine Raumschlacht von gigantischem Ausmaß erwartet, also actiongeil ist, sollte man nicht andere kritisieren, die anspruchsvoller sind und die Borg lieber von einer tiefgründigeren Warte aus studieren und diese nicht nur aus der Perspektive einer Raumschlacht sehen wollen.

Natürlich möchte man mehr von der interessantesten Spezies des "Star Trek"-Universums sehen. Und da wirklich ausnahmslos jede "Raumschiff Voyager"-Borg-Episode der Borg-Kultur etwas Neues abgewinnen kann und jede Episode darüber wirklich exzellent ist, liegt das Problem wohl wirklich an einem selbst, wenn man trotz soviel Positivem noch immer nur Negatives sieht oder sehen will.

Hätte "Deep Space Nine" einen epischen Krieg mit den Borg gestartet, keiner hätte sich beschwert. Bei "Raumschiff Voyager" gelten selbstverständlich wieder andere Ansprüche!

Eine TV-Serie ist doch dazu da, dass man Dinge "entmystifiziert". Will man etwa sieben Jahre lang nichts von den Charakteren wissen? Nichts von der Heimreise? Soll das Schiff stillstehen und nicht weiterfliegen, damit es ja nichts "entmystifiziert"? Wenn man so absurd denkt, kann man sich gleich zuhause einsperren, damit man ja nichts von der Welt sehen darf, man könnte diese ja "entmystifizieren". Und wir können gern auf diesem Niveau bleiben: "Deep Space Nine" hat auch das Dominion entmystifiziert, sowas aber auch!

Und wer sich jetzt für ganz klug hält und den Vorwurf erhebt, mit den Borg wäre den "Raumschiff Voyager"-Machern nichts mehr eingefallen und sie müssten sich auf alte "Star Trek"-Spezies besinnen und die Serie wäre deshalb hochgradig innovationslos: Inwiefern ist dies wieder ein Kritikpunkt, zumal alle Borg-Episoden gelungen sind und die Serie enorm bereichert hat? Wären die Borg-Episoden platt und nur auf Action ausgelegt, dann wäre dies in der Tat ein Kritikpunkt, aber dem ist nun mal nicht so. Jede Borg-Episode hat wohl mehr Charakter- denn Action-Szenen. Man denke nur an "Skorpion", man denke nur an "Das ungewisse Dunkel", man denke nur an "Die Drohne" - im Übrigen, soviele Borg-Episoden gibt es nun auch wieder nicht. Das alles kann nur jemand sagen, der die Serie nicht kennt.

Und ferner - "Deep Space Nine" hat auch etwas von ihrem Konzept aufgegeben. So wurde die "Defiant" eingeführt, damit die Stationscrew ein wenig mobiler wird. Doch wird dies als Kritikpunkt an "Deep Space Nine" aufgefasst? Nein, weil sowie die "Defiant" eine Bereicherung für die "Deep Space Nine"-Serie war (obwohl die Macher damit indirekt sich für ihr Konzept schämten), so sind die Borg ebenfalls eine Bereicherung für das "Raumschiff Voyager"-Universum. Warum wird wieder die letztere Serie kritisiert? Ach ja, für "Raumschiff Voyager" gelten natürlich wieder ganz andere Ansprüche, dem Janeway-Syndrom sei Dank!

Witzig ist auch der Vorwurf, die Borg wären in "Raumschiff Voyager" "verweicht". Nun, nur weil die Autoren keine "harten" Raumschlachten zeigen wollen, sondern ruhige Charakterepisoden über die Borg, heißt es doch nicht, dass sie "verweicht" sind. Ganz im Gegenteil - sie sind vielschichtiger geworden! Außerdem ist es doch logisch, dass man immer mehr Angst vor dem verliert, das man immer besser kennt. Und warum dieses Besser-Kennen-Lernen notwendig und auch wichtig ist, haben wir unter "Entmystifizierung" hinreichend besprochen. "Star Trek" sollte stets eine Serie bleiben, in der Gegner nicht nur so böse sind und da dürfen die Borg keine Ausnahme darstellen - wir haben es hier nicht mit einer billigen Sciencefiction-Serie zu tun. Nur weil man als Action-Knabe durchgängig böse Gegner "cool" findet, heißt es nicht, dass so etwas Primitives in einer Sciencefiction-Serie zu suchen hat.

Falls man mit "Verweichlichung" auch meint, warum das Schiff den Borg immer so gut entkommen kann (wie zum Beispiel in "Unimatrix Zero") - nun, auch im "Das nächste Jahrhundert"-Cliffhanger "In den Händen der Borg" entkommt die "Enterprise" erstaunlich oft den Borg. Und keiner sagt etwas. Richtig: Es zählt stets die Geschichte. Warum ein Schiff den Borg nicht entkommen kann weil es aus solchen und solchen logischen Gründen so und so nicht möglich ist, ist völlig trivial! Sollte dies bei "Raumschiff Voyager" etwa anders sein? Gelten hier wieder andere Ansprüche? Man möchte das Janeway-Syndrom ja nicht schon wieder erwähnen!

"Seven Of Nine nur als Quotenfang da": Das ist das dümmlichste Kritik-Klischee und kann nur von jemandem aufgestellt bzw. nachgeplappert worden sein, der nicht die geringste Ahnung von der Serie hat. Wären alle Episoden um Seven nicht gelungen, so hätte dieser Kritikpunkt durchaus Berechtigung. Doch man soll nur eine Seven-Episode nennen, die absolut nur da war, um ihre Brüste zu zeigen und weniger ihren Charakter zu untersuchen. Da eine solche, offensichtliche Quotenfang-Episode nicht existiert, kann man diesen Kritikpunkt nicht so im Raume stehen lassen.

Seven Of Nine brachte eine neue Charakterdynamik in die Serie. Sie sorgte für eine neue Frische in der Serie, ohne die Harmonie unter den Charakteren gänzlich zu zerstören (wie es zum Beispiel die schreckliche Dr. Pulaski in "Das nächste Jahrhundert" tat). Sie war deshalb so interessant, weil sie sich den Sternenflotten-Regeln nicht anpassen wollte und konnte. Seven Of Nine brachte damit herrliches (wichtig: externes) Konflikt-Potenzial in die Serie.

Wenn Sie im Abschnitt "Keine Maquis-Konflikte, platte Charaktere" aufgepasst haben, wissen Sie, dass Konflikte in gutem "Star Trek" stets externer Natur (Weltraumphänomene, Aliens etc) sind und nie aus dem Bedürfnis der Charaktere nach Streit heraus entstehen. Dies zeichnet letzten Endes den Anspruch von "Star Trek" aus, weil Konflikte hier subtiler Natur sind und dazu dienen, menschliche Themen aus einer anderen Perspektive zu beleuchten. Sciencefiction in Reinform eben. Seven Of Nine fügt sich gänzlich diesem Anspruch:

Denn was Streitigkeiten mit der restlichen Crew angeht: Seven Of Nine ist nicht "nur so" auf Streit aus. Wie Data besteht der Konflikt und der Reiz darin, dass für den Charakter die menschlichen Selbstverständlichkeiten nicht selbstverständlich sind, also menschliche Werte und Konflikte ständig hinterfragt und beleuchtet. Ihr Streitpotenzial besteht daher aus der Unkenntnis über das Menschensein.

Seven Of Nine stellt eine externe Konfliktquelle da, weil sie nicht wie der Rest des Schiffes lebt und agiert: Sie ist ein Mitglied der schlimmsten Bedrohung, die das "Star Trek"-Universum kennt. Und da sie eben eine Ex-Borg ist, lässt Seven Of Nine die Bedrohung durch die Borg praktisch die gesamte Serie über spüren, auch wenn der Charakter sich im Laufe der Zeit mehr und mehr in die Crew integriert. Ein neuer Gegner - und damit weiteres Konflikt-Potenzial - wird also nicht einfach durch epische Raumschlachten und brutale Kriege offensichtlich zur Schau gestellt (wie es bei den anderen Sciencefiction-Serien der Fall ist), sondern viel subtiler und damit wirkungsvoller durch einen Charakter, der tiefgründigere Geschichten darüber erlaubt und zu dem der Zuschauer eine persönlichere Beziehung aufbauen kann.

Mit dem Stamm-Charakter der Seven Of Nine ist es also möglich, beständig Konflikte in der Serie zu zeigen, ohne dass diese sich auf Mainstream-Niveau hinabbegeben und damit düster und kriegslastig werden muss. Dabei ist jede Disharmonie (Sevens Unkenntnis über das Menschensein und die verfänglichen Situationen, die daraus entstehen) hierbei stets nachvollziehbar und entstammen keinem primitiven Bedürfnis. Außerdem wird die Disharmonie nicht ewig gestreckt, sondern fügt sich dank einer sehr guten Charakterentwicklung langsam der Serien-Harmonie. Somit steht der Konflikt auch in keinerlei Widerspruch zur harmonischen Serie. Außerdem bekommen wir durch Seven Of Nine Einblicke in andere Charaktere. Was wäre Janeway ohne Seven Of Nine?

Indem man Konflikte also nicht auf die Mainstream-Tour in eine Serie einführt, sondern die Möglichkeiten, die das eigene Genre bietet, ausschöpft, erhält man als Ergebnis eine Sciencefiction-Drama-Serie mit Niveau!

Eine Mainstream-Tour wäre im Übrigen zum Beispiel die Einführung von Dr. Pulaski in der zweiten "Das nächste Jahrhundert"-Staffel, bei der der Zuschauer nicht nachvollziehen kann, warum sie den Namen Data nicht richtig aussprechen kann oder die anderen Charaktere so herablassend behandelt. Bei Dr. Pulaski hat man es also mit einem Charakter zu tun, der nur dazu da ist, um Konflikte zu produzieren, die scheinbar aus einem inneren Bedürfnis nach Streit entstehen. Daher wirkt der Dr.-Pulaski-Konflikt also auf die denkbar offensichtlichste Art und Weise gekünstelt und unüberlegt, ohne dass der Zuschauer diesen nachvollziehen kann. Mainstream pur. Und genau dies macht den Charakter niveaulos und unsympathisch und trübt den ansonsten so hohen Anspruch der "Das nächste Jahrhundert"-Serie. Zum Glück aber haben die Macher dies damals schnell eingesehen und ließen die weitaus sympathischere Dr. Crusher wiederzurückkehren und die Serien-Harmonie wiederherstellen.

Mit Harmonie ist im Übrigen das respektvolle und erwachsene Umgehen miteinander gemeint - was ist also daran verkehrt? Konflikte auf Kosten dieser Harmonie zu erzeugen, rüttelt stets am Anspruch-Status von "Star Trek", denn diese Harmonie ist die Identität von "Star Trek", diese Harmonie ist die Seele von "Star Trek". Genau aus diesem Grunde wirken "Deep Space Nine" und "Enterprise" so seelenlos, so seltsam zersplittert und uneben, so furchtbar austauschbar - weil diese beiden Serien eben zwischen "Star Trek" und Mainstream-Klischees hin- und herschwanken.

Da wir gerade vom Quotenfang sprechen: Worf dient im Grunde auch als Quotenfang bei "Deep Space Nine", um verschreckte "Das nächste Jahrhundert"-Zuschauer wieder zurückzulocken. Nur weil er nicht so riesige Brüste hat, wird er nicht kritisiert? Das heißt, mit Männern auf Quotenfang zu gehen, ist in Ordnung, aber sobald eine höchst attraktive Frau die Bühne betritt, müssen alle laut kritisieren und ihre imaginäre emanzipierte Seite zum Vorschein bringen? Das ist absurd. Und abermals haben wir es hier also mit einem Kritik-Klischee zu tun, das nicht im Geringsten mit der Serienqualität zu tun hat. Man vergleiche nur mal die Worf-Episoden mit den Seven-Episoden. Letztere sind deutlich besser und tiefgründiger!

Und um gleich ein anderes Kritik-Klischee aufzugreifen, das sich förmlich aufdrängt: Nach der vierten "Raumschiff Voyager"-Staffel kann man ja wohl kaum von zu vielen Seven-Episoden sprechen. In der vierten Staffel sind sie schlicht notwendig, um diesen sehr vielschichtigen Charakter näher zu definieren. Die anderen Charaktere haben in dieser Hinsicht schließlich drei Staffeln Vorsprung. Wo ist danach noch eine so geballte Ladung an Seven-Episoden zu sehen? Und selbst wenn, inwiefern ist dies schlecht, wenn man bedenkt, dass alle Seven-Episoden alle ganz hervorragend sind?

Es ist interessant, dass der Holodoktor auch nicht dafür kritisiert wird, dass er zuviel Spielraum in der letzten Staffel hat. Eine attraktive Frau darf also nicht soviel auftreten wie ein Mann? Wie ist das noch gleich mit dem Chauvinismus und dem Janeway-Syndrom? Man sucht hier offensichtlich wieder verzweifelt nach einem Kritikpunkt, wo dieser schlicht nicht berechtigt ist!

Und ferner, und das ist kein Geheimnis, hat jede Serie ihre Lieblingscharaktere. Wozu braucht man Harry-Episoden, wenn man Charaktere wie den Doktor oder wie Seven hat? Wozu? Nur damit man sagen kann: "Die Serie hat all ihre Charaktere gleich behandelt"? Wozu soll das gut sein? Die Original-Serie und auch "Das nächste Jahrhundert" konzentrieren sich auch auf ihre "Lieblingscharaktere", die einfach interessantere Geschichten hergeben - soll man ihnen dies verweigern, nur damit ein weniger interessanter Charakter mal im Mittelpunkt steht? Nur damit man mal die Serie künstlich uninteressanter macht? Was ist der Sinn hierbei? Und warum wird "Raumschiff Voyager" wieder dafür kritisiert, was in den genannten beiden Serien selbstverständlich ist?

Wer so einen Kritik-Klischee-Punkt aufstellt, sucht entweder abermals verzweifelt nach Kritikpunkten gegen die Serie oder es ist die Trauer, weil sein eigener, persönlicher Lieblingscharakter nicht im Rampenlicht steht. Tröst.

Insofern gesehen ist es Müll, einer Serie vorzuwerfen, sie würde nicht all ihre Charaktere gleich behandeln. Es liegt nun einmal in der Natur, dass es sowohl interessante als auch nicht so interessante Menschen gibt, das ist dies doch nur "realistisch"! Auch hier am Rande: Wozu gibt es sonst bei Preisverleihungen eine Kategorie für den besten Hauptdarsteller und eine für den besten Nebendarsteller?

Solange eine Serie überhaupt interessante Charaktere vorweist und fesselnde Episoden damit erzählen kann, solange gibt es nichts zu beanstanden. Und interessante Charaktere hat "Raumschiff Voyager" genug zu bieten, von fesselnden Episoden ganz zu schweigen.

"Brannon Braga und Robert Beltran hassen die Serie": Brannon Braga, der einstige Produzent hat kurz vorm Start von "Enterprise" gesagt, er habe "keine weitere Zeile" mehr für "Raumschiff Voyager" schreiben können. An diesem Interview-Satz geilt sich nun die Action-Knaben-Schar auf und sieht es als die definitive Bestätigung an, dass "Raumschiff Voyager" die schlechteste Serie aller Zeiten ist. Dabei ist dieser Interviewsatz völlig aus der Luft gegriffen und dem Zusammenhang gerissen. Man muss schon das gesamte Interview betrachten: Denn Brannon Braga war tief in die "Enterprise"-Drehbücher versunken und weil "Enterprise" mit ihrem Prequel-Konzept nun mal eine deutliche Abweichung zu "Raumschiff Voyager" darstellt, meinte Brannon Braga, dass er sich so sehr ans Schreiben von "Enterprise" gewöhnt habe, dass es schwierig sei, zurück zum 24. Jahrhundert zu finden - da die Sprache und die Verhaltensweisen der Charaktere hier eine ganz andere sind als im 22. Jahrhundert. Aus diesem Grunde habe er "keine weitere Zeile" mehr für "Raumschiff Voyager" schreiben können und aus diesem Grunde sei er froh, dass er in der siebenten Staffel kürzer treten könne und dankte Kenneth Biller für die Übernahme seines Postens als ausführender Produzent.

Die Action-Basher-Knaben ihrerseits lesen sich das Interview durch und ignorieren natürlich bewusst den Rest und wollen nur dieses "keine weitere Zeile"-Gefasel herauslesen, da sie stets auf der Suche nach dem ultimativen Beweis sind, mit dem sie belegen können, dass "Raumschiff Voyager" die schlechteste Serie aller Zeiten ist - zum wiederholten Male dem Janeway-Syndrom sei Dank. Und da viele Fans gerne Dinge nachplappern, ist schnell das Gerücht entstanden, dass Brannon Braga die Serie hassen würde, was natürlich überhaupt nicht der Fall ist. Ganz im Gegenteil: Braga hat in vielen Interviews verlauten lassen, wie zufrieden und stolz er auf die Serie und ihre Entwicklung sei. Und außerdem: Welcher Produzent macht schon seine eigene Serie schlecht? Moral: Immer die ganze Wahrheit lesen und dann urteilen!

Im Falle von Robert Beltran, der die Serie beschimpfte, dass sie dumm sei und dass die Produzenten armselig wären: Nun, aus den Interviews mit Robert Beltran, der Chakotay verkörpert, war herauszulesen, dass der Beweggrund für seine Kritik darin bestand, weil sein Charakter zu kurz gekommen war.

Beltran mochte von der Serie halten was er wollte, doch war es ausgesprochen unkollegial, die eigenen Kollegen so in den Dreck zu ziehen! Letzten Endes ist doch jeder Schauspieler selbst für seine Rolle verantwortlich. Beltran war selbst schuld, weil er Chakotay nie besonders herausragend gespielt hat. Und wenn man nicht hinter seiner eigenen Rolle steht, wer soll es sonst tun?

Die Rolle des Holodoktors zum Beispiel war zu Anfang der Serie die leerste Rolle gewesen, da man diese nicht genau definiert hatte und hierbei bewusst ins kalte Wasser sprang. Allein durch den Schauspieler Robert Picardo, der seine Rolle mit Leben füllte - hinter seiner Rolle stand - wurden die Autoren motiviert, sich immer bessere Geschichten für ihn einfallen zu lassen und ihn zu einem der Lieblingscharaktere von "Star Trek" zu machen. Dies kann man von Robert Beltran nicht behaupten. Die Schuld auf andere abzuladen, zeugt vom ausgeprägten egozentrischen Verhalten. Die Kommentare eines Egozentrikers für bare Münzen zu nehmen, zeugt von Ignoranz und der beständigen Suche nach noch so dummen Kritikpunkten gegen eine Serie, die eigentlich nicht zu kritisieren ist. Moral: Nicht immer alles hinnehmen, sondern gründlich lesen und selber mal gründlich darüber nachdenken!

"Janeways Verhalten zu sprunghaft": Auch hier fehlen Belege. Wo ist Janeways Verhalten nicht nachvollziehbar bzw. wo ist ihr Verhalten überhaupt nicht mit ihrem Charakter zu vereinbaren gewesen? Nur weil sie als Frau eine breitere emotionale Palette abdeckt, die Einfluss auf ihre Verhalten und Entscheidungen nimmt, nur weil sie so unkonventionell und listreich handelt und damit kein Verhalten wie das eines Mannes ans Tageslicht legt, bedeutet es nicht, dass ihr Verhalten sprunghaft ist. Nur weil man Frauen nicht versteht bzw. keinen Erfolg bei diesen hat, bedeutet es nicht, dass man so anmaßend sein darf, um Janeways Verhalten als sprunghaft hinzustellen!

Und außerdem ist es doch logisch, dass Janeway sich außergewöhnlicher verhält und ungewöhnliche Entscheidungen zu treffen hat, schließlich kommandiert sie das einzigste Sternenflottenschiff im Delta-Quadranten (von der "Equinox" abgesehen). Ist es da nicht "realistisch", dass sie solche Entscheidungen trifft, dass sie bedingt durch die Einsamkeit und die Strapazen ein wenig lockerer und abgebrühter, insgesamt auch risikofreudiger drauf ist? Würde sie konventionelles Verhalten zeigen und würde sie noch konventionellere Entscheidungen treffen, dann würde ein Action-Knabe laut rufen: "Langweilig". Aber so haben wir es mit einem herausragenden Captain zu tun, dessen Verhalten und Entscheidungen manchmal ungewöhnlich, aber stets im Blickfeld des Nachvollziehbaren vertreten sind.

Wenn man Janeways Verhalten als sprunghaft bezeichnet, sollte man vielleicht beginnen, soziale Verbindungen zu seinen Mitmenschen zu knüpfen - die Verhalten der Menschen, egal ob Mann oder Frau, sind nun mal nicht eben und völlig voraussehbar. Wenn man Janeways Verhalten als sprunghaft bezeichnet, hat man eindeutig zuviel "Star Trek" geguckt und eindeutig zu sehr den sozialen Anschluss zu der eigenen Umgebung verloren! Nicht umsonst bezeichnen Action-Knaben Janeways Verhalten als zu sprunghaft!

In der Tat ist es so, dass Janeway eine sehr natürliche Entwicklung hingelegt hat. Vom Pilotfilm bis zum Finale: Der sympathischste aller "Star Trek"-Captains wird mit der Zeit immer lässiger und humorvoller und verleiht "Raumschiff Voyager" ihre besondere Note. Besonders in der letzten Staffel erreicht diese Lässigkeit ihren Höhepunkt.

Wenn man ein paar Folgen aus der ersten Staffel gesehen hat und dann komplett abgeschaltet hat bzw. die Serie nur sporadisch verfolgt und jetzt plötzlich in den späteren Staffeln wieder dazuschaltet, ist es kein Wunder, dass man das Verhalten von Janeway sprunghaft findet. Bei "Raumschiff Voyager" machen alle Charaktere nämlich eine äußerst natürliche Entwicklung durch, die man erst nachvollzieht, wenn man die Serie regelmäßig verfolgt. Wer Janeways Verhalten als sprunghaft bezeichnet, zeugt von der eigenen Unwissenheit über "Raumschiff Voyager" - sowie die Action-Basher-Knaben-Fraktion eben.

Selbst Janeways Grenzverhalten sind nachvollziehbar. Sei es ihr Verhalten in "Tuvix", wo sie ein Wesen tötet, das aus der Verschmelzung zwischen Tuvok und Neelix hervorgegangen ist; ihr Folter-Verhalten in "Equinox", wo sie einen Sternenflotten-Captain, der ebenfalls mit seinem Schiff im Delta-Quadranten gestrandet ist und Massenmorde begangen hat, jagt oder ihr Verhalten im Finale "Endspiel", wo sie die gesamte Zeitlinie verändert, nur um ihre Crew schneller nach Hause zu bringen: Beide Male stecken sehr menschliche Motive dahinter, über deren Rationalität man zwar streiten kann, aber deren Nachvollziehbarkeit zweifelsohne gegeben ist (bei "Tuvix" ist es die Liebe zu ihren Crew-Mitgliedern, bei "Equinox" fühlt sich Janeway verraten und bei "Endspiel" sind es schwere Schuldgefühle). Nur weil man einer Frau solch gewagte Entscheidungen nicht zugestehen will, heißt es nicht, dass ihr Verhalten sprunghaft ist, nein, das heißt, dass man entweder die Serie oder Frauen nicht genug kennt oder eben ein Chauvinist ist!

Und ferner ist das Verhalten eines Charakters in solchen Extremsituationen wie die oben beschriebenen doch interessant. Wie kann man also das Verhalten in diesen Extremsituationen als sprunghaft kritisieren, wo menschliches Verhalten in Extremsituationen nun mal sprunghaft ist? Das ist ein absurder Kritikpunkt!

Etwas, was die Serie ebenfalls auszeichnet, ist auch die Tatsache, dass es halt auch mal witzig und locker zugehen darf, mit einem Hauch von Selbstironie. Und weil viele Action-Knaben und "Star Trek"-Fans mit Selbstironie und höherem Humor nichts anfangen können (*winke winke*), können sie auch mit der Serie nichts anfangen. Und weil Action-Knaben stets todernste und zum Sterben düstere Sciencefiction-Serien sehen wollen, können sie erst recht nichts mit "Raumschiff Voyager" anfangen. Jemand, der Janeways Verhalten als sprunghaft bezeichnet, disqualifiziert sich somit selbst als Serienkenner und damit als ernstzunehmender Kritiker.

Viele "Star Trek"-Fans tun sich übrigens auch sehr schwer damit, wenn man sie auf den Arm nimmt oder ein ironisches sowie sarkastisches Witzchen reißt, da diese meistens Sensibelchen sind, auch wenn manche nach Außen hin den "Coolen" (Action-Knaben) geben wollen. So verwundert es kaum, dass diese Action-Knaben, bereits am Janeway-Syndrom erkrankt, absolut gar nichts mit "Raumschiff Voyager" anfangen können, da diese Serie sehr (selbst-)ironisch ("Renaissancemensch") und sehr sarkastisch ("Endstation: Vergessenheit") sein kann und daher die Fans hin und wieder ein wenig auf die Schippe nimmt. Besonders schön zeigt sich dies an Episoden von tragisch-sarkastischer Doppelbödigkeit, bei denen sich manche Fans schwertun, den tieferen Sinn dahinter zu verstehen, diese als geschmacklos abstempeln und sich doch tatsächlich angegriffen fühlen. Bestes Beispiel hierfür ist die Episode "Endstation: Vergessenheit".

"Zuviel Action": Das ist einer der schwachsinnigsten Kritikpunkte. In welcher Episode von "Raumschiff Voyager" überwiegt die Action den Charakteranteil? Man möge nur eine nennen! Sogar in den Doppelfolgen wie "Skorpion", "Ein Jahr Hölle" oder "Das ungewisse Dunkel" stehen stets Story und Charaktere im Vordergrund. Action hat nur eine unterstützende Funktion, erfüllt jedoch nie einen Selbstzweck. Action wird in "Raumschiff Voyager" also nie banal. Das kann natürlich ein Action-Knabe nicht wissen, der die Serie abgrundtief hasst und nie mitverfolgt - aufgrund des Janeway-Syndroms. Dieser Knabe ruft sofort "Zuviel Action", wenn er nur einen Photonentorpedo in der Serie sieht oder sich stets die Trailer zu den Episoden anschaut und sofort sein Urteil fällt, ohne die eigentliche Episode dahinter gesehen zu haben.

Bestes Beispiel dafür, dass "Raumschiff Voyager" gern auf banale Action verzichtet, ist wohl die Episode "In Fleisch und Blut". Haben die Action-Fans einen epischen Krieg und ausufernde Raumschlachten erwartet, wird in dieser Episode kurzerhand Frieden mit der Spezies 8472 geschlossen - und das auf eine sehr diplomatische "Star Trek"-Art-und-Weise. Schon allein an dieser Episode kann man den Action-Trend der Serie sehen: nämlich höchstens einen unterstützenden, jedoch niemals einen beherrschenden.

Wenn eine "Star Trek"-Serie dafür kritisiert werden sollte, zuviel Action zu enthalten, dann wohl eindeutig "Deep Space Nine". "Enterprise" stellt mit ihrer erbärmlichen dritten Staffel aber alles nochmals in den Schatten.

Gutes "Star Trek" handelt niemals von Action, sondern stets von Menschen. Alles andere sollte billigeren Serien wie "Stargate", "Babylon 5" oder - um mal aus der alleruntersten Schublade zu wählen - "Andromeda" überlassen werden.

"Zuviel Technobabble": Ein lächerlicher Kritikpunkt, zumal dieser "Star Trek" doch auszeichnet. Es heißt schließlich Sciencefiction und nicht Just-Take-It-Fiction. Technobabble ist u.a. genau das, was "Star Trek" so realistisch macht und von anderen Billigserien wie "Stargate" oder "Andromeda" abheben lässt. In "Star Trek" wird auf eine gewisse Glaubwürdigkeit geachtet, so dass die Sciencefiction-Geschichten hier eine gewisse Bodenständigkeit und Seriösität besitzen - eben erwachsener sind als in den sonst so verspielten Sciencefiction-Serien, ausgelegt für noch verspieltere Action-Knaben.

Auf der anderen Seite wird "Raumschiff Voyager" oftmals dafür kritisiert, unlogisch zu sein, wo die Autoren mal auf Technobabble weitgehend verzichten. Da fragt mal sich nur: Was wollen die Action-Knaben eigentlich? Mal ist zuviel Technobabble und mal ist alles unlogisch - wieder nur ein Versuch, nach Kritikpunkten gegen die Serie zu suchen?

Dabei ist es doch vollkommen unwichtig, ob Logikfehler vorhanden sind oder ob zuviel Technobabble: Was zählt ist die Geschichte. Solange diese fesselnd ist, solange Technobabble nicht unsinnig wird, solange eine Episode nicht ausschließlich aus Technobabble besteht - solange besteht kein Anlass dazu, dies als Kritikpunkt gegen die Serie zu verwenden.

"Das Finale der Serie endet zu abrupt": Nur weil man mehr von der Serie sehen möchte und traurig darüber ist, dass die Serie nun zu Ende ist, heißt es nicht, dass das Finale schlecht sein muss. Es heißt bestimmt nicht, dass man das Finale deshalb für etwas kritisieren muss, das eigentlich die Stärke ist: den Verzicht auf die Wiedersehens-Klischees und der runde Abschluss, der die Serie wie aus einem Guss wirken lässt. Man übertreibt daher ganz gehörig, wenn man das Finale nur aufgrund des Verzichts auf die besagten Klischees schlecht redet und alle positiven Elemente bewusst ignoriert.

Das, was nach dem Eintreffen im Alpha-Quadranten geschehen könnte, wird ja bereits am Anfang von "Endspiel" angedeutet, wozu dies also wiederholen? Wozu nochmals den (zugegeben schickgemachten) Flug über die "Golden Gate"-Brücke sehen wollen? Wozu die schnulzigen Wiedersehens-Szenen sehen wollen ("Ich liebe Dich", "Willkommen zuhause", "Habe Dich so vermisst" etc)? Wozu klischeehaft werden? Wozu auf Mainstream-Soap-Niveau hinabsteigen? Warum alles zeigen müssen und den Zuschauern ihrer eigenen Fantasie berauben? So gibt man dem Fan doch die Möglichkeit und den Freiraum, seinen eigenen Abschied von der Serie zu nehmen! Und dies ist doch das Wichtigste!

"Raumschiff Voyager" spielt nun mal im Delta-Quadranten und das muss man in Erinnerung behalten. Der Alpha-Quadrant hat wenig mit der Serie zu tun und entsprechend darf die Rückkehr also nicht zu lange sein, um das Bild von der Serie nicht in den letzten Minuten zu zerstören, um der Serie nicht in den letzten Minuten ihre Identität zu berauben.

Und was heißt hier abrupt? Unter "abrupt" versteht man, wenn das Finale sich nicht hinreichend mit den Charakteren beschäftigt hat oder nicht alle positiven Elemente der Serie aufgezeigt werden und DANN endet. Doch da dies bei "Endspiel" nicht der Fall ist, kann man wohl kaum von "abrupt" sprechen!

Am Rande: Ein weiteres Beispiel dafür, dass "Raumschiff Voyager" gern den Appetit der Zuschauer auf mehr geradezu provoziert und damit das eigene, hohe Qualitätsniveau zur Schau stellt, ist die "Es geschah in einem Augenblick"-Episode, auf die es eine ähnliche drastische Reaktion wie bei "Endspiel" gab. Auch in dieser Episode wird viel der Fantasie der Zuschauer überlassen, diese förmlich gereizt. "Raumschiff Voyager" ist schon immer eine Serie gewesen, die viel Wert auf das Subtile legt und weniger auf das Optische, das Offensichtliche. Dass dies bei den primitiven, visuell-orientierten Action-Knaben nicht ankommt, ist nicht weiter überraschend. Aber es ist dümmlich, eine Serie als oberflächlich zu bezeichnen, nur weil sie subtil und die Zuschauer zum Nachdenken und Fantasieren anregen will.

Und zu guter Letzt: Es ist doch besser, ein Finale zu sehen, das Lust auf mehr macht als ein Finale, bei dem man sich langweilt und froh ist, die Serie endlich überstanden zu haben! Dass man nach "Endspiel" definitiv mehr will, zeigt doch sehr gut die Qualität des Finals und der Serie! Indem Action-Knaben das Finale eben wegen seines abrupten Endes kritisieren, zollen sie doch indirekt der Qualität der Serie Tribut! Auch diese haben Appetit auf mehr! Also kann das Finale und die Serie gar nicht schlecht sein!

Und ferner wäre sicherlich andersherum heftigere Kritik aufgekommen, wenn sich die Rückkehr endlos gestreckt hätte. Schließlich wissen die Action-Basher-Knaben ja stets etwas an "Raumschiff Voyager" zu kritisieren.

Wo Janeway nach dem Pilotfilm "Der Fürsorger" Kurs auf die Erde setzen ließ, setzt sie in "Endspiel" denselben Kurs, nur dass sie diesmal bereits zuhause sind. Welche Serie kann schon behaupten, so "rund" zu enden? Das alles zeigt doch, dass die Serie sich für ihr Konzept nicht geschämt hat, sich mit dem Delta-Quadranten-Konzept angefreundet hat und dieses erst in den allerletzten Minuten der Serie abschließt. Damit beweist "Raumschiff Voyager", dass sie sieben Jahre lang beständiges und herausragendes Qualitätsfernsehen geliefert hat. Welche Serie kann das schon von sich behaupten? Schon allein die Titelsequenz der Serie, die sich all die sieben Jahre lang nicht geändert hat, beweist, dass das Konzept der Serie voll aufgegangen ist und die Macher sehr zufrieden damit gewesen sind. Welche Serie kann das schon von sich behaupten?

So wie "Raumschiff Voyager" die TV-Bildschirmlandschaft geprägt und verlassen hat, davon können andere Sciencefiction-Serien nur träumen!

Es gibt noch eine Menge anderer Kritik-Klischees. Viele dieser Kritik-Klischees haben sich geradezu in den Köpfen einiger Basher und Mitläufer manifestiert, die die Serie noch nie gesehen haben und auch sonst wenig von der Serie wissen.

Wie wir nun wissen, sind all diese angeblichen - zugegeben teils gut klingenden - Kritikpunkte völlig aus der Luft gegriffen und zeugen von der Nichtkenntnis von der Serie und einem schlechten, pubertären Geschmack. Wir wissen nun nach dem Lesen dieses Artikels, dass all diese Kritikpunkte letzten Endes auch Ausreden und Drumherumreden für eine Sache sind: Dass man eine Frau auf dem Stuhl des Captains nicht akzeptiert.

Nicht umsonst sind übrigens "Frauenepisoden" - Episoden, die die Gefühlswelt eines weiblichen Crew-Mitglieds durchleuchtet - so unbeliebt bei "Star Trek" und vor allem bei "Raumschiff Voyager". Großartige Episoden wie "Kontrapunkt" oder "Fair Haven" zum Beispiel finden niemals den ihnen zustehenden Respekt, eben aufgrund der Tatsache von der falschen, männlichen Zuschauergruppe, was sehr bedauernswert ist. Mit der Reaktion auf solche Episoden kann man sehr gut auf den mehr oder weniger subtilen Chauvinismus in "Star Trek" schließen.

Nicht umsonst sind übrigens Episoden mit höherer Thematik wie "Die Muse" bei vielen Action-Knaben verhasst. Diese Episode, die ein Theaterstück behandelt, ist für diese Action-Knaben natürlich "langweilig", weil sie in ihrem pubertären Alter noch nicht soviel Reife, Intelligenz, Tiefgang und Anstand besitzen, um ein Theaterstück aufzunehmen. Mit der Reaktion auf solch höhere Episoden kann man auch sehr gut auf die mangelnde Intelligenz in der "Star Trek"-Zuschauergruppe schließen (Janeway-Syndrom natürlich nie ausgeschlossen).

Nicht umsonst wird "Raumschiff Voyager" wird nur an ihren - wenigen - schlechten Episoden, die jede Serie hat, aufgezogen. Gute werden ignoriert.

Endstation: Action-Knaben-Unterhaltung

Es ist interessant, dass die Kritik-Klischees so wenig mit wirklicher Qualität denn mit (primitivem) Geschmack zu tun haben. An den Kritik-Klischees und ihren Widerlegungen wird also zu deutlich, dass "Raumschiff Voyager" schlicht an ihrer falschen Zuschauergruppe mit schlechtem Geschmack und chauvinistischer Haltung kränkelt, jedoch nicht an ihrer Qualität.

Die Action-Knaben kritisieren also an "Raumschiff Voyager" alles, was nicht ihrem Geschmack entspricht. Nun, das ist logisch, dass man das kritisiert, was nicht dem Geschmack von einem entspricht, werden Sie jetzt sagen. Aber indem die Action-Knaben nicht einsehen, dass die Serie auch ganz offensichtlich gut ist, ohne ihre Kritikpunkte - Geschmacksanforderungen - erfüllen zu müssen; dass ihre Kritikpunkte zu hinterfragen sind - dieses Nichteinsehen oder bewusstes Ignorieren spricht für ein inneres Gräuel gegen die Serie und dieses wiederum ist das Janeway-Syndrom, das dieses "blinde" Kritisieren erst auslöst.

Es geht noch weiter - indem die Action-Knaben nun ihre Geschmacksforderungen auf dem Wege der Kritik-Klischees offenbaren, können wir ganz feststellen, ob deren Geschmack anspruchsvoll oder anspruchslos ist:

Wenn wir all die obigen Kritik-Klischees in ihr Gegenteil umkehren, würde eine perfekte Action-Knaben-Serie also so aussehen: "Kontinuität pur, Krieg ohne Ende, Charaktere können sich nicht genug streiten, Captain darf nur männlich sein etc". Sie sehen also bereits an der Aufzählung, dass das unmöglich gute, anspruchsvolle und vor allem innovative Sciencefiction sein kann. Doch offensichtlich haben die Sciencefiction-Serien heutzutage genau diesem Geschmack dieser Action-Knaben zu entsprechen, wenn sie nicht von ihnen verrissen werden möchte. Das zeigt aber auch, wie die Zuschauergruppe der Sciencefiction sich gewandelt hat und nun vollständig auf Action-Teenies konzentriert ist. Ältere, reifere und folglich intelligentere Zuschauer dürften in dieser "neuen" Sciencefiction nichts mehr zu suchen haben.

Offensichtlich entsprechen "Kontinuität pur, Krieg ohne Ende, Charaktere können sich nicht genug streiten, Captain darf nur männlich sein etc" genau dem Geschmack dieser "neuen" Zuschauergruppe und folglich ist es nun kein großes Geheimnis mehr, warum "Raumschiff Voyager" trotz brillanter Qualität nicht die Anerkennung findet, die sie zweifelsohne verdient. Die Serie um Captain Janeway ist zu reif, zu anspruchsvoll und zu intelligent für diese Action-Knaben, die so von Krieg und Action im Fernsehen zugedröhnt sind, dass sie nicht mehr in der Lage sind, zu denken. Denn wer denken kann, der kritisiert nicht "Raumschiff Voyager".

Das Konzept "Kontinuität pur, Krieg ohne Ende, Charaktere können sich nicht genug streiten, Captain darf nur männlich sein etc" erklärt auch sehr gut, warum eine so anspruchslose und völlig idiotische dritte "Enterprise"-Staffel mehr Anerkennung findet als die ersten beiden "Enterprise"-Staffeln (zugegeben auch nicht die beste Unterhaltung, gelinde ausgedrückt) - sie ist angepasster an die Bedürfnisse der Action-Knaben.

Die falsche Zuschauergruppe als Beweis für Qualität

Im Übrigen, und da muss man nicht auf Knuddelkurs gehen und alles schön reden ("jeder hat eine eigene Meinung", "man darf Fans nicht in Schubladen stecken", "man muss alles objektiver sehen", *gähn*): Von der Qualität einer Serie kann man sehr wohl auf ihre Zuschauergruppe schließen und umgekehrt (wozu werden Serien sonst auf bestimmte Zuschauergruppen zugeschnitten?).

Ein hochgebildeter Professor würde sich zum Beispiel nicht unbedingt "Enterprise" oder - Gott bewahre - "Andromeda" anschauen. Ein Mensch, der etwas auf sich hält und Anspruch beweist, würde eine intellektuellere Serie als "Deep Space Nine" bevorzugen. Daraus schlussfolgern wir also Folgendes: Dass die actionverliebten sowie primitiven "Deep Space Nine"- oder "Enterprise"-Zuschauer nun nichts mit "Raumschiff Voyager" anzufangen wissen, beweist, dass diese Serie nicht anspruchslos und primitiv sein kann. "Raumschiff Voyager" kann also gar nicht schlecht sein!

Und wir einnern uns - die Serie ist bei der falschen Zuschauergruppe gelandet, nämlich bei der ehemals minderheitlichen, primitiven Zuschauergruppe, die seit "Deep Space Nine" und spätestens "Enterprise" leider der dominante Bestandteil der "Star Trek"-Zuschauergruppe geworden ist. Weil diese Primaten-Zuschauer nun laut "Raumschiff Voyager" kritisieren, erkennen Sie mit ihren pubertären Gehirnzellen somit indirekt genau das an, was sie mit ihrer Pseudo-Kritik eben nicht anerkennen wollen: Qualität!

Kurzum: Je größer die Kritik seitens dieser Action-Freak-Knaben, desto hochwertiger muss also die Qualität der Serie sein, an die diese Kritik adressiert ist. Und folglich schlussfolgern wir drei Dinge:
- "Raumschiff Voyager" ist eine herausragende Sciencefiction-Serie - die beste!
- Diese Freak-Fans sind eine Ironie für und in sich! Zum Ignorieren geeignet!
- "Star Trek" ist wohl hauptsächlich auch an ihrer derzeitigen, dummen Zuschauergruppe gescheitert, die mit ihren Pseudo-Qualitätsforderungen die Produzenten ja irgendwie beeinflussen und da diese Qualitätsforderungen keine sind, haben diese Dümmchen von Fans "Star Trek" qualitätstechnisch indirekt ruiniert.

Warum "Raumschiff Voyager" nun die beste "Star Trek"-Serie ist

Dass "Das nächste Jahrhundert" die beste Sciencefiction-Serie aller Zeiten ist, darin besteht kein Zweifel. Keiner Serie zuvor war es jemals zuvor gelungen, mit so abwechslungsreichen Geschichten aufzuwarten, die die Grenzen der Sciencefiction um etliche Lichtjahre erweitert haben. Die Serie war der Beweis, dass hinter der Sciencefiction etwas Hochphilosophisches steckte und ihr war es gelungen, dieses Hochphilosophische auf anspruchsvolle Art und Weise offenzulegen. Die Sprache der Serie war keine Alltagssprache, sondern gehobenerer Art. Die Charaktere waren ein Sinnbild für Reife. Die Geschichten fantasievoll, teils erfreulich dialoglastig und zum Nachdenken anregend. "Das nächste Jahrhundert" hatte die Sciencefiction also erwachsen werden lassen, hatte dem Genre ein zweites Gesicht verpasst.

Vorbei waren die Zeiten der niedrigen Sciencefiction-Unterhaltung, wo Charaktere durch enge Korridore liefen und einer nach dem anderen von einem ach so bösen Alien abgeschlachtet wurden. Vorbei waren also die Zeiten der lächerlichen Geschichten und der noch lächerlicheren Dialoge. Endlich war Sciencefiction nicht mehr schrecklich düster, endlich wurden die Möglichkeiten der Sciencefiction dazu genutzt, um hochwertiges Drama zu erzählen.

Damit "Das nächste Jahrhundert" so viele Möglichkeiten wie möglich ausprobieren konnte, folgte sie dem Einzelepisoden-Konzept. Um sich von den anderen Sciencefiction-Serien abzugrenzen, blieb sie dem optimistischen "Star Trek"-Konzept und damit Gene Roddenberrys Glaube an die Menschheit treu. Der Schauplatz der Sciencefiction hatte sich dramatisch gewandelt: weg vom Schlachtfeld, hinein in den menschlichen Geist. Die humanistische Sciencefiction war geboren. Sciencefiction war also kein Tötungsspiel mehr, sondern handelte von menschlichen Geschichten. Sciencefiction war also endlich wieder ernstzunehmen! Endlich gab sich die Sciencefiction bodenständig, jedoch ohne an Fantasie zu verlieren! Sciencefiction hatte sich vom Primitiven zur Kunst verwandelt!

Und diesem Prinzip bleibt der einzig wahre "Das nächste Jahrhundert"-Nachfolger, "Raumschiff Voyager", treu. Die absolut ebenbürtige Serie bietet noch abwechslungsreichere Geschichten, die teils viel tiefgründiger sind als die der Vorgängerin. Die Charaktere sind dynamisch und sympathisch, eine Spur interessanter als die von "Das nächste Jahrhundert". Die Serie insgesamt innovationsfreudig. Nicht umsonst werden einige Episodenkonzepte auch in der nachfolgenden, aber erheblich schlechteren Serie "Enterprise" wieder aufgegriffen.

Dem losen Einzelepisodenkonzept werden viele stabile Elemente entgegengesetzt, und das ohne einen erstickenden Handlungsbogen zu gebrauchen: die sehr natürliche Entwicklung der Charaktere und die Prämisse der Serie, nach Hause zu fliegen. Unter diesen Gesichtspunkten ist es möglich, viele selbstständige atemberaubende Meisterwerke zu erzählen und doch anders zu sein als die allseits beliebte Vorgängerin. In jede einzelne Episode wird viel Aufwand gesteckt, wird versucht, eine einmalige und nur dieser Episode gehörende Atmosphäre aufzubauen. Somit enthält die Serie viele Episoden, die von der Machart her wie selbstständige Kinofilme sind. Unter diesen Gesichtspunkten wiederum betrachtet, ist die Serie unheimlich abwechslungsreich und versucht, in jeder einzelnen Episode die Möglichkeiten der Sciencefiction, hochwertiges, erwachseneres Drama zu erzählen, auszureizen.

"Raumschiff Voyager" perfektioniert also das "Das nächste Jahrhundert"-Konzept und gibt sich temporeicher, jedoch nicht oberflächlich; abwechslungsreicher, jedoch nicht unbodenständig; verspielter, jedoch nicht niveaulos.

Fazit: "Raumschiff Voyager" baut zwar die Stärken von "Das nächste Jahrhundert" gekonnt aus, aber bleibt eben ein Nachfolger, der ohne den Vorgänger nicht existieren kann. Somit ist "Raumschiff Voyager" nicht besser als "Das nächste Jahrhundert", sondern teilt sich mit letzterer Serie den Rang, die beste "Star Trek"- und Sciencefiction-Serie aller Zeiten zu sein. Beide Serien entsprechen voll und ganz der Definition von guter Sciencefiction.

Ausblick

"Eine solch friedvolle Zukunft kann es wirklich geben", sagte man zu Zeiten von "Das nächste Jahrhundert".

"Eine solch friedvolle Zukunft kann es niemals geben, Krieg wird immer ein Teil der Menschheit bleiben", sagte man zu Zeiten von "Deep Space Nine".

"Erst mit Krieg wird Sciencefiction aufregend", sagt man zu Zeiten von "Enterprise".

Es ist erstaunlich, wie sehr sich das "Star Trek"-Universum in den letzten 20 Jahren zum Negativen hin gewandelt hat. Wie sehr sich die Qualität zum Negativen hin gewandelt hat. Wie sehr sich die Fans zum Negativen hin gewandelt haben.

Sicherlich entsteht eine gewisse Müdigkeit, wenn man soviele "Star Trek"-Episoden gesehen hat und es ist verständlich, dass man eine neue Richtung sehen will, die gänzlich anders ist als die vorherige. Sicherlich ist "Star Trek" sehr niveauvolles Fernsehen mit einer gewissen Bodenständigkeit. Ist es da ein Wunder, dass man bei jedem Bruch dieser Bodenständigkeit in Entzückung geraten kann, weil man etwas Rebellisches, Aufregendes und Frisches spürt?

Doch Entzückung ist gerade hierbei das Fatale, da man diese Entzückung mit Qualität verwechselt. Indem man alle Tabus bricht - alles, was "Star Trek" auszeichnet, ins Gegenteilige konvertiert; "Star Trek" der Bodenständigkeit entzieht - zeigt man, dass einem nichts mehr dazu einfällt, wie man die Stärken hätte ausbauen können. Man will daher alle Verrücktheiten mal ausprobieren, ohne Rücksicht auf Niveauverlust zu nehmen, nur um etwas Frische und Aufgewecktheit in eine starre Sache zu bringen. Muss man sich nicht selbst treu bleiben, muss man seiner Arbeit nicht eine gewisse Loyalität entgegenbringen? Was ist die Logik daran, etwas Neues zu tun, indem man das Alte ruiniert? Auf welchem Fundament soll das Neue beruhen?

Indem man fundamentlos durch den Weltraum irrt, begibt man sich auf das problematische Niveau der meisten Sciencefiction-Serien hinab: Sie sind zu verspielt, zu anspruchslos, zu ungeordnet. Die Serie dient lediglich als Spielweise für die pubertären Autoren, die sich nicht um tiefgründige Geschichten und sorgfältig ausgearbeitete Charaktere scheren, sondern eine durchgeknallte Idee nach der anderen zum Besten geben, sich dabei keineswegs um einen gewissen Anspruch bemühen - ihre Kindheitsbedürfnisse noch einmal ausleben wollen, ohne ein gewisses Erwachsensein zu zeigen. Je trashiger, je übertriebener, je anspruchsloser, desto besser wird es in der Sciencefiction-Gemeinde aufgenommen, was viel über den jungen Altersdurchschnitt in dieser Gemeinde aussagt.

Bestes Beispiel hierfür ist wohl das Finale der dritten "Enterprise"-Staffel, wo tatsächlich ein außerirdischer Nazi auftaucht. Diese blödsinnige Idee wird für allgemein gut und erfrischend befunden, weil sie eben so "verrückt" ist. Zu verrückt eben für "Star Trek" und daher automatisch gut. Aber wo ist die Qualität, Frische in etwas bringen zu wollen, indem man Blödsinniges zeigt? Es mag einen als Zuschauer überraschen und man spürt, dass da etwas ist, was niemals zuvor in "Star Trek" in dieser Form gezeigt wurde, aber gleichzeitig muss man sich auch fragen, warum es so gezeigt wird wie es gezeigt wird. Purer Provokationsversuch und Selbstbeweis - also einem Selbstzweck dienend - oder ein Zeichen für Genialität und Einfallsreichtum? Solange man der ersten Frage zustimmt, solange ist es das billigste Mittel, um die eigene Serie wieder aufzupeppen. Bei anderem Sciencefiction-Müll mag es zwar klappen, aber da "Star Trek" nun mal für anspruchsvolle Sciencefiction steht, ist die besagte Szene geradezu peinlich.

An diesem Nazi-Beispiel erkennt man auch sehr gut, dass "Star Trek" zu lange läuft und die Autoren einfach keine Lust mehr haben und daher diese Blödsinnigkeit als eine Art Befreiung sehen. Die Zuschauer schließt sich ihnen an. Das ist insofern traurig, als dass es zeigt, dass das Konzept von "Star Trek", das praktisch unendlich viele Geschichten erlaubt, sich dennoch totläuft, weil man nicht imstande ist, es zu renovieren, OHNE es zuerst zerstören zu müssen. Das zeigt, dass "Star Trek" definitiv neue Kreativführung braucht bzw. eine Kreativpause einlegen sollte.

Doch auch bei "Deep Space Nine" war es nicht anders. Man denke nur an die Folge "Die Belagerung von AR-558". Nur weil man "Star Trek"-Optimismus satt ist, zeigt man eine Folge, in der sich alle abschlachten. Eine pubertäre Rebellion, die nur dazu da ist, um zu provozieren, jedoch nicht, um das eigene Erwachsensein zu verdeutlichen.

Man bringt auf diese Weise etwas Frische in das "Star Trek"-Universum, keine Frage. Doch senkt man zugleich auch das Niveau. Sobald einem also nichts mehr einfällt und man einer Sache überdrüssig ist, schlägt man solange auf diese Sache ein, bis es in Tausende Teile zerspringt und das, obwohl man diese Sache weiter ausbauen möchte. Wo ist da die Logik? Wo wird da eine Qualitätssteigerung erzielt?

Man sollte also immer kritisch blicken und sich nicht von der angeblichen Frische blenden lassen. Man darf "Star Trek" nicht verbessern, indem man es zum Durchschnitt degradiert. Man muss seine Stärken ausbauen und Wege finden, "Star Trek"-Geschichten neu zu erzählen, ohne sich dabei aber den typischen Sciencefiction-Mainstream-Elementen wie Krieg bedienen zu müssen! Das ist der große Kunstgriff, den man seit dem Ende von "Raumschiff Voyager" nicht hinbekommen hat und der in "Deep Space Nine" fehlgeschlagen war.

Leider ist es auch so, dass "Star Trek" es versäumt hat, wieder etwas Eigenständiges zu produzieren. Daher wiegt man sich auf die sichere Seite der Mainstream-Elemente. Bei "Deep Space Nine" nahm dies zwar ihren Anfang, war aber nur halb so schlimm wie bei "Enterprise", da "Deep Space Nine" noch unter großem Einfluss von "Das nächste Jahrhundert" und "Raumschiff Voyager" - beides hochwertige Qualitätsschwesterserien - stand. Bei "Enterprise" erlaubt aber allein die Prämisse die Einbindung von mehr Mainstream-Elementen und so wird der Geist der Forschung endgültig aufgegeben und stattdessen vom Unheil des Kriegs verdrängt. Faszination wird kleingeschrieben, Adrenalin umso größer. Sciencefiction wird zu Warfiction. "Star Trek" zu Durchschnitt. Aus Anspruchssciencefiction wird Trivialsciencefiction. Und das alles für den Preis der angeblichen Frische!

Es ist wie ein Teufelskreis: Weil sich die Sciencefiction ausschließlich darauf reduziert, findet sie keine erwachseneren Zuschauer und damit automatisch darauf zugeschnittene, niveauvollere Drehbücher. Und weil die Sciencefiction keine erwachsenen Zuschauer findet und eben Action-Knaben bedienen muss, bleibt sie bei diesen Spielthemen wie Krieg. Daher gibt es soviel Sciencefiction-Schrott.

Es ist im Moment nicht mehr die Frage, ob es "Star Trek" gibt, sondern vielmehr die Frage, in was sich "Star Trek" verwandelt!

Doch wir sollten optimistisch sein und hoffen, dass Autoren und Fans der Kriegs-Phase bald überdrüssig werden und die nächste "Erfrischungs-Phase" sich wieder der Forschung und dem Tiefgang verschreibt. Hoffnung auf besseres "Star Trek", Hoffnung auf bessere Sciencefiction, Hoffnung auf ein Ende der "Star Trek"-Vergewaltigung sollte man als "Star Trek"-Fan niemals aufgeben!

Schlussworte und Schlussfragen

Mit "Warum Raumschiff Voyager keine Vergewaltigung von Star Trek ist" endet meine "Vergewaltigungs-Reihe". Es wurden sehr viele Leserbriefe eingesendet, die ich teils für sehr erfreulich, aber teils leider für wirklich dümmlich befand. Ein Lob geht an die intelligenten Lesebriefschreiber, die interessantes Feedback zu der Reihe geliefert und den Sinn dieser Reihe erkannt haben.

Die Kolumnen-Reihe ist ein Experiment gewesen, dessen Ergebnis sowohl überraschend als auch erschreckend ist: Es ist interessant, wie moralisch Fans plötzlich werden können ("Jeder hat eine eigene Meinung", "Man darf Fans nicht in Schubladen stecken", "Man muss alles objektiver sehen"), wenn das Ganze gegen ihre eigene Lieblingsserie gerichtet ist, aber wie gnadenlos sie ihre Moral ablegen, wenn es darum geht, eine "Feind-Serie" "niederzumachen" ("Serie xy ist schlecht, keine Frage", "Serie xy ist ja wohl wirklich dumm, ohne Frage", "Serie xy ist kein Star Trek, ohne Zweifel", "Meine Serie ist die beste aller Zeiten"); vor allem, wenn es darum geht, "Raumschiff Voyager" schlecht zu reden. Diese Doppelmoral der "Star Trek"-Fans ist also ein interessantes Ergebnis des "Vergewaltigungs-Experiments".

Das Experiment zeigt auch so etwas Ähnliches wie ein Weltbild von "Star Trek" auf, an dem keine Wankungen geduldet werden. Dieses Weltbild sieht "Deep Space Nine" als die über alle Zweifel erhabene göttliche Dominion-Serie an, während "Raumschiff Voyager" für vogelfrei erklärt wird und von noch so unwissenden Fans kritisiert werden darf. Manche Fans plappern Dinge wie "Kontinuität" oder "Dreidimensionale Charaktere" nach, ohne darüber nachzudenken, inwieweit dies für eine gute Serie wirklich von Bedeutung ist oder inwieweit dies überhaupt zutrifft. Solange eine Serie Dinge wie "Kontinuität" nicht erfüllt, ist sie schlecht - kein Wenn und Aber. Diese sturen und konservativen Qualitätsanforderungen kennzeichnen dieses Weltbild von "Star Trek" und auch der Sciencefiction allgemein. Weiter noch, scheint dieses blinde Kritisieren ein wahrer Volkssport unter den "Star Trek"-Fans geworden zu sein.

Hätte die "Vergewaltigungs-Reihe" "Raumschiff Voyager" als Auslöser-Serie dargestellt, hätten entsprechende Fans nie mit solch einer Empörung reagiert wie in einigen Leserbriefen. Wäre "Raumschiff Voyager" - unberechtigterweise - als "schlecht" oder "für die Krise von Star Trek verantwortlich" hingestellt worden - diese entsprechenden Fans hätten grinsend zugestimmt, egal wie die "Raumschiff Voyager"-Serie oder gar deren Fans "niedergemacht" worden wären.

Es ist in dieser Hinsicht äußerst interessant, zu beobachten, wie wenig sich die Fan-Basher mit "Raumschiff Voyager" auskennen. Je lauter die Kritik, desto unwissender der Kritiker, scheint das Motto hier zu sein. Vor allem ist es interessant zu sehen, dass viele noch nicht mal das Titelbild zu der Kolumne kennen, das in einer größeren Version als Ankündigungsbild zu der Kolumne diente. Dieses Titelbild mit dem eingerahmten "Raumschiff Voyager"-Crewbild stammt übrigens aus dem Finale "Endspiel".

Das Interessante an diesem romantisch komponierten Bild ist, dass wenn man die Serie und damit das Bild nicht kennt, man es leicht für übertriebene Heldenverehrung eines fanatischen Fans halten könnte. Und entsprechend waren unwissende Leserbrief-Reaktionen darauf, die eben mich als "fanatischen Fan" und damit nicht weiter ernstzunehmend ertappt glauben zu haben, mit einem leichten Schmunzeln meinerseits verbunden. Diese Reaktionen auf dieses Bild bestätigen sehr gut die Beobachtung, dass die meisten, die "Raumschiff Voyager" kritisieren, absolut keine Ahnung von der Serie haben.

Mit all diesen Dingen im Hinterkopf sollten wir zu den entscheidenden Fragen und zum alles entscheidenden Sinn der "Vergewaltigungs-Reihe" kommen:

- Überlegen Sie bitte, in welchem Stil die Reihe geschrieben ist, welche stilistischen Besonderheiten vorhanden sind, inwiefern übereinstimmende Sprachmerkmale zu denen der oft erwähnten "Basher-Fans" vorhanden sind.

- Und nun überlegen Sie bitte weiter, inwiefern das Wort "Spiegelbild" das Ganze gut zusammenfasst.

- Und zum Schluss überlegen Sie bitte, für was die "Vergewaltigungs-Reihe" also letzten Endes plädiert!

Ist die "Vergewaltigungs-Reihe" also wirklich das, was sie auf den ersten Blick erscheint?

Ich hoffe, Sie hatten beim Lesen genauso viel Spaß wie ich am Schreiben,

Ihr Lin Xiang.

Artikel geschrieben von Shen Li (sl); aktualisiert am 18.08.2005