Kino 2000
Autor: Patrick Streppel

So unterschiedlich kann das Jahr verlaufen: Während Sciencefiction im Fernsehen vor allem in den USA einen Rückgang erlebt, schien im Kino eine neue SF-Welle anzurollen. Leider war nicht alles Gold, was glänzte und somit haben wir uns die Tops und Flops einmal genauer angesehen.

Wie in jedem Jahr ist der Bereich SF/Mystery sehr weitläufig, Filme wie The Green Mile, Frequency oder Final Destination waren zwar gut, aber haben nur wenig mit "Star Trek" und Co. zu tun, weshalb sie aus dieser Betrachtung einmal herausfallen sollen. Und dennoch, es bleibt genug übrig an Flops und Tops: Nehmen wir beispielsweise den 200 Jahre Mann, bei dem sich Robbin Williams richtig Mühe gab, den SF-Anteil von Isac Asimovs Geschichte zugunsten von familienfreundlicher Unterhaltung zurückzuschrauben. Der Robotermann war ein Frontalangriff auf Lachmuskeln und Tränensäcke - wem es gefällt.

Ein klassisches Vorbild hatte auch Paul Verhoeven, der mit seinem Hollow Man angeblich eine Thematik aufgriff, die bereits die alten Griechen beschäftigte. Was tut ein Mensch, wenn er unsichtbar ist? Wozu nutzt er diese Macht? Nun, ein vernünftiger, brillanter Wissenschaftler wird zum Ekel, das Frauen vergewaltigt, in Wohnungen einbricht und Menschen tötet - klar. Physik und Logik verlieren in diesem SF-Streifen ebenso ihre Bedeutung wie ausgearbeitete Charaktermomente. Brilliante Effekte und die Tatsache, dass der holländische Starship Troopers-Regisseur einen wissenschaftlichen Grund für das Verhalten seines "Helden" erfand, machten diesen Film auch nicht besser.

Aber der Titel des schlechtesten Films 2000 geht an Battlefield Earth. Es ist noch immer unbegreiflich, was Roger Christian und John Travolta für ein dilletantisch lächerliches Werk zusammengeflickt haben, denn in Deutschland wurde selbst der DVD-Termin weit nach hinten verschoben, da der Verleih zahlreiche Änderungen von Jonnyboy verlangt. Ob's was ändert? Wohl kaum. Ach übrigens: Auch wenn uns ein zweiter Kinofilm glücklicherweise erspart bleiben dürfte und ich bete, dass niemals ein Computerspiel aus diesem Stoff entsteht, so will Scientology das Buch ihres Gründers in eine Zeichentrickserie umwandeln - oh, Gott!

Wenn wir gerade bei den Gurken des Jahres sind, so muss ich wohl auch Supernova nennen, der unverdienteste Reinfall des Jahrzehnts. Ein großes Budget, einen erfahrenen Regisseur, gute Schauspieler, eine interessante Handlung und brillante Effekte - dann absolutes Chaos während der Produktion (über das in den vergangenen Ausgaben bereits zu Genüge berichtet wurde). Fakt ist, dass der Film hinter den Erwartungen zurückblieb, sowohl inhaltlich als auch finanziell. Ich will als einer der wenigen Fürsprecher nicht von einem totalen Reinfall reden - der Film hat trotz alle Mängel tolle Momente - aber besonders in der DVD Fassung erkennt man, was so alles schief gelaufen war.

Ein wirklich unverdienter finanzieller Reinfall wurde Titan A.E. Der spannende Zeichentrickfilm wartete mit einer perfekten Kombination von Zeichnungen und Renderings auf und zeigte mit seinem exorbitanten Budget, was alles im Computerzeitalter möglich ist. Fox hatte große Erwartungen, sollte dies doch der erste Titel eines neuen Animationsstudios werden. Leider floppte der Film trotz guter Kritiken an der Kinokasse, das Filmstudio machte nur Tage später seine ganze Animationsabteilung dicht.

Der zweite Zeichentrickstreifen war da schon besser: Heavy Metal FAKK 2 war im Gegensatz zu Titan A.E. kein Family-Entertainment, der Nachfolger zum 81er Streifen strotzte nur so vor Gewalt, Sex und harten Sprüchen - ein Film nur für Erwachsene. Doch wer sich gerade davon nicht abschrecken ließ, der sah einen wirklich coolen, spannenden Film, der ebenfalls Zeichentrick-Sequenzen und 3D-Computeranimationen zu einer spektakulären Mischung verband, unterlegt von Heavy Metal-Sounds erster Sahne. Übrigens: Ritual Entertainment hat ein sehr schönes Computerspiel zu diesem Film auf die Beine gestellt...

Wie jedes Jahr in der Filmgeschichte mussten sich auch 2000 zwei Filmstudios mit ein und demselben Konzept behaken, nach Vulkanen und Asteroiden galt es diesmal den spektakulärsten Mars-Kracher in die Kinos zu bringen. Story: In beiden Filmen sollte eine Gruppe von Menschen auf dem Mars notlanden und in beiden Fällen gab es dort ein schreckliches Geheimnis... Wie bei Armageddon und Deep Impact gab es zwei Ansätze für die selbe Story: Mission to Mars sollte wissenschaftlich angehaucht, Red Planet actionbetont sein - sowohl Paramount als auch Warner waren bei der Zielsetzung aber sehr ehrgeizig, den besseren Film zu produzieren. Bei den exorbitanten Budgets war es unverständlich, dass es eigentlich keinen Sieger gab.

Mission to Mars von Brian de Palma erschien bereits im Frühjahr, war aber dermaßen langweilig, dass der Sieger scheinbar schon feststand. Denkste. Im November lief Red Planet in den Staaten an, der trotz ähnlichem Konzept wesentlich mehr Spannung bieten sollte. Der Film war nur leider so dämlich, dass der wissenschaftliche Ansatz seines Vorgängers vermutlich drei Rentner mehr zu Begeisterungsstürmen bewegen konnte. Effektetechnisch waren sicherlich beide Filme auf der Höhe der Zeit, die Drehbücher aber stammten aus der Steinzeit.

Es gab aber auch Erfreuliches im Jahr 2000: Cube beispielsweise entpuppte sich als intelligenter, interessanter und vor allem innovativer Psycho-Thriller, der von der ersten bis zur letzten Sekunde fesseln konnte. Ein Regieneuling mit einem minimalen Budget hatte das geschafft, wovon andere Starregisseure nicht den Hauch einer Ahnung hatten: Einen perfekten Film abzuliefern.

Die nächste Überraschung war Galaxy Quest. Was wie eine dumme "Star Trek"-Parodie aussah, war in Wahrheit die beste SF-Komödie seit langem, ein eigenständiger, spannender, witziger und vor allem tricktechnisch aufwendiger Film, der keine Wünsche offen ließ und sowohl Trecker als auch SF-Hasser vereinte. Bitte mehr davon!

Nicht ganz so toll wurde leider Good Vibrations: Wo Galaxy Quest mit genialer Situationskomik aufwartete, lagen die Gags in dieser SF-Komödie auf Pubertätsniveau des prüden Amerikas. American Pie war witziger. Wirklich gelungen war noch X-Men, eine wirklich zeitgemäße Neufassung eines Superheldencomics. Der Film war durchgestylt bis zum letzten, bot Effekte, Masken und Kostüme vom feinsten, hatte gute Schauspieler (allen voran Patrick Stewart und Famke Janssen) und vor allem ein geglücktes Drehbuch - kein Wunder, dass ein zweiter Teil in Arbeit ist.

Im Bereich Horror gefiel uns besonders Pitch Black. Auch wenn die Story sehr konventionell war, so gelang dem Film nicht nur eine ungewöhnlich ästhetische Optik, sondern auch tiefgreifende Charakterisierungen und unerwartete Wendungen. Fazit: Der spannendste Film des Jahres.

Nicht ganz so geglückt war Space Cowboys, das wohl den Untertitel "Kuckident im All" hätte bekommen sollen. Sicher, Eastwood, Jones und Sutherland hatten ihren Spaß dabei, im Rentneralter noch einmal einen SF-Film machen zu dürfen und die Thematik des Altwerdens wurde auch ausreichend und ansprechend thematisiert, doch irgendwie fühlte man, dass dieser Film inhaltlich und tricktechnisch ein Jahrzehnt zu spät kam. Alles wirkte irgendwie unspektakulär und geruhsam, nicht unbedingt ein Konkurrent von Armageddon.

The Cell war der genau entgegengesetzte Film: Die Optik war brillant, Kameraeinstellungen und Effekte sorgten für eine Bilderflut, die ihres gleichen suchte. Leider sah man all diese Szenen bereits im Trailer, der fertige Film war an manchen Stellen gar zu bizarr. Mal abgesehen von diesen Augenblicken, in denen die Kinnlade auf den Sitz des Vordermanns knallte, schaffte es der Film einfach nicht, so etwas wie Spannung aufkommen zu lassen. Alles wirkte irgendwie steril, unsympathisch und unrealistisch, die Handlung um einen Serienkiller war einfach viel zu ausgelutscht und die Charakterzeichnungen halbherzig. Schade.

Nach dem 99er Debakel mit End of Days war 2000 das Jahr des zweiten, neuen Arnie-Films. The 6th Day griff die Klon-Problematik auf und verpackte alles in einen simplen, aber spannenden SF-Actionfilm. Nichts besonderes, aber dennoch spannende Unterhaltung.

Der letzte Film des Jahres und ein wirklich runder Abschluss war Unbreakable. Der erste Film des indischen Regisseurs, The Sixth Sense, war am 30.12.99 bei uns angelaufen und hat das neue Jahr mit einem außergewöhnlichen Film begonnen. Mit Unreabeable setzt M. Night Shyamalan diese Tradition fort: Erneut findet sich Bruce Willis in einer mystischen Situation wieder um sein eigenes Schicksal zu erkunden, Samuel L. Jackson steht ihm dabei zur Seite.

Leider ist das Ende des ansonsten sehr gelungenen Films ein wenig enttäuschend und somit fällt Unbreakable ein wenig gegenüber The Sixth Sense zurück, ist aber immer noch einer der besten Filme des Jahres.